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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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aufgefüllt zu haben. »Der kubanische Rekord liegt bei über einhundert.« Arkadi zündete die Zigarette an. »Welche Sorte ist das?«
    »>Popular<. Schwarzer Tabak. Schmeckt sie Ihnen?«
    »Perfekt.« Arkadi stieß eine Rauchwolke aus, so blau wie der Auspuffqualm eines Zweitakters.
    Rufo knetete mit kräftigen Händen Arkadis Schultern. »Lassen Sie locker. Sie sind ja völlig verspannt.«
     
    Der Beamte, der von der Kommissarin die Schlüssel entgegengenommen hatte, kehrte zurück. Nachdem Blas am anderen Tisch den Schädel zunächst vertikal und dann an der Stirnbreite gemessen hatte, breitete er ein Taschentuch aus und begann mit einer Zahnbürste sorgfältig die Zähne des Toten zu putzen. Arkadi gab Rufo die Karteikarte mit dem Zahnschema, die er aus Moskau mitgebracht hatte (die Vorsichtsmaßnahme eines Ermittlers), und der Fahrer präsentierte den Umschlag Blas, der das frisch erstrahlte Lächeln des Schädels den numerierten Kreisen auf dem Zahnschema zuordnete. Als er fertig war, konferierte er mit Capitán Arcos, der zufrieden grunzte und Arkadi ins Parterre des Obduktionssaals zitierte.
    Rufo übersetzte. »Der russische Staatsbürger Sergej Sergejewitsch Pribluda traf vor elf Monaten als Attache an der russischen Botschaft in Havanna ein. Wir wußten natürlich, daß er ein Oberst des KGB war. Verzeihung, des neuen Auslandsgeheimdienstes SVR.«
    »Das ist das gleiche«, sagte Arkadi.
    Der Capitán und mit ihm Rufo fuhr fort. »Vor einer Woche hat uns die Botschaft davon unterrichtet, daß Pribluda vermißt wurde. Wir hatten nicht erwartet, daß sie einen leitenden Ermittlungsbeamten aus dem Büro der Moskauer Staatsanwaltschaft einladen würden. Vielleicht einen Verwandten, mehr nicht.«
    Arkadi hatte mit Pribludas Sohn gesprochen, der sich geweigert hatte, nach Havanna zu fliegen. Er war Manager einer Pizzeria, ein enorm verantwortungsvoller Posten.
    »Der Capitán sagt«, fuhr Rufo fort, »daß die Identifikation, die heute in Ihrem Beisein vorgenommen wurde, glücklicherweise einfach und schlüssig war. Der Capitán sagt, daß ein Schlüssel, den man im persönlichen Besitz des Toten gefunden hat, zur Wohnung des Vermißten paßt, wo man die Tür damit geöffnet hat. Nach Untersuchung der in der Bucht geborgenen Leiche schätzt Dr. Blas, daß es sich bei dem Toten um einen etwa fünfzig bis sechzig Jahre alten weißen Mann von ungefähr einem Meter fünfundsechzig und einem Gewicht von zirka neunzig Kilogramm handelt, was in jeder Hinsicht dem Vermißten entspricht. Darüber hinaus zeigt ein Zahnschema des russischen Staatsbürgers Pribluda, das Sie selbst mitgebracht haben, daß einer der unteren Molaren eine Füllung hat. Der entsprechende Molar im Gebiß der geborgenen Leiche ist ein Stahlzahn, was nach Dr. Blas’ Einschätzung laut Capitán Arcos typisch für eine russische Zahnbehandlung ist. Stimmen Sie dem zu?«
    »Soweit ich sehen kann, ja.«
    »Dr. Blas sagt, daß er keinerlei Verletzungen, Knochenbrüche oder andere Spuren von Gewalteinwirkung entdecken konnte. Ihr Freund ist eines natürlichen Todes gestorben, möglicherweise an einem Schlaganfall, Aneurysma oder Herzinfarkt, was sich bei einer Leiche in diesem Zustand unmöglich feststellen läßt. Der Doktor hofft, daß er nicht lange gelitten hat.«
    »Das ist sehr freundlich von ihm«, sagte Arkadi, obwohl der Arzt auf ihn eher selbstgefällig als mitfühlend wirkte. »Der Capitán fragt seinerseits, ob Sie den Befund dieser Obduktion akzeptieren.«
    »Ich würde gern eine Weile darüber nachdenken.«
    »Nun, aber Sie akzeptieren den Schluß, daß es sich bei der geborgenen Leiche um den russischen Staatsbürger Pribluda handelt?«
    Arkadi wandte sich dem Obduktionstisch zu. Was zuvor ein aufgeblähter Kadaver gewesen war, war nun zerteilt und ausgeweidet. Natürlich hatte es ohnehin weder Gesicht noch Augen gegeben, anhand derer eine Identifikation möglich gewesen wäre, und von Fingerknochen konnte man keine Abdrücke nehmen, doch in diesem zerstörten Körper hatte einmal ein Mensch gelebt. »Ich finde, ein Reifenschlauch in der Bucht ist ein seltsamer Fundort für einen Russen.«
    »Der Capitán sagt, das finden alle.«
    »Dann wird es also eine Untersuchung geben?«
    »Das kommt darauf an«, sagt Rufo.
    »Worauf?«
    »Auf viele Faktoren.«
    »Welche zum Beispiel?«
    »Der Capitán sagt, Ihr Freund war ein Spion. Was immer er getan hat, als er starb, war keineswegs harmlos. Der Capitán kann voraussagen, daß Ihre Botschaft uns

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