Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
Vom Netzwerk:
suchen Thunfische in größerer Tiefe nach Nahrung, während Schnapper und Knurrhahn näher an der Wasseroberfläche jagen.« Genau wie Schildkröten natürlich, obwohl man die nur fangen konnte, während sie kopulierten, und die entsprechende Saison dauerte nur einen Monat. Außerdem war das ohnehin verboten, weswegen er es auch nie tun würde. Doch mit dem kubanischen System konnte man nach allen Fischarten gleichzeitig angeln, indem man an verschiedenen Stellen der Mutterleine Haken in unterschiedlicher Tiefe herabließ, vierzig, dreißig oder zehn Meter. »Jeder legt verschiedene Leinen aus, und auf diese Weise durchkämmen wir das ganze Meer.«
    »Fragen Sie ihn nach einer Strömung, die einen neumät/co vom Malecon in die Bucht getrieben hätte.«
     
    »Er sagt, daß dort die meisten Boote sind, weil man in den Strömungen auf Fische stößt. Die Boote fischen nicht die gesamte Bucht ab, sondern nur diesen Korridor aus Mutterleinen und einer Skala von Angelhaken.«
    »Und jetzt fragen Sie ihn, was er nicht hier bei der Werft, sondern im Wasser gefunden hat. Und ich meine nicht Fische.«
    Andres machte eine Pause, um Luft zu holen. Ein Mann, der in Florida wilderte, mußte dazu neigen, sich zu übernehmen, dachte Arkadi.
    »Er fragt, ob Sie meinen, ob er etwas aus der Bucht gefischt hat. Etwa zur gleichen Zeit, als der arme Mann bei der Werft gefunden wurde. Als wollte er seiner Erinnerung auf die Sprünge helfen, sah Andres sich zu den beiden Männern um, die an der Schraubenwelle gearbeitet hatten, doch seine Freunde waren verschwunden. »Abfall vielleicht, der sich versehentlich an einem der Haken verfangen hat?«
    »Genau.«
    Mittlerweile hatte die Kommissarin begriffen, woher der Wind wehte, und folgte Andres, als der sich in seinen Schuppen zurückzog. Sie kamen mit einer Plastiktüte und etwa fünfzig Zetteln zurück, die aussahen wie Lotterielose und offensichtlich durchgeweicht und zum Trocknen aufgehängt worden waren. Auf ihnen stand grün auf weiß und kaum noch lesbar: »Montecristo, Habanos, Hecho a mano.«
    »Das sind offizielle staatliche Siegel für Zigarrenkisten, noch ungeschnitten und nicht gummiert«, erklärte sie. »Mit diesen Etiketten hätte man gewöhnliche Zigarren als Montecristos ausgeben können. Das ist eine sehr ernste Angelegenheit.« Jetzt sprudelten die Erklärungen nur so aus Andres heraus. »Er sagt, die Siegel hätten sich etwa eine Woche, bevor die Leiche gefunden wurde, am Haken eines Fischers verfangen, an dessen Name er sich nicht mehr erinnern kann. Die Siegel waren ruiniert, weil die Tüte ein Loch hatte. Außerdem ist kurz danach das Wetter umgeschlagen, niemand ist zu ihren Booten gekommen, deshalb haben sie die Siegel einfach vergessen. Er hat sie nur getrocknet, um sie zu entziffern und festzustellen, ob es sich lohnte, den Fund zu melden, was er gerade tun wollte.«
    Die Vorstellung von derart kostbaren Zigarren amüsierte Arkadi. Zucker und Zigarren, die Diamanten und das Gold Kubas. »Können Sie ihn nach der genauen Stelle fragen, wo die Tüte aus dem Wasser gefischt wurde?«
    Andres markierte eine Stelle etwa fünfhundert Meter vor dem Malecon zwischen dem Hotel Riviera und Pribludas Wohnung. »Er sagt, nur ein Verrückter würde regierungsamtliche Siegel stehlen, aber er glaubt, daß ein neumät/co an sich schon ein verzweifelter Mensch sein muß. Sich auf einem Schlauch aus Luft und Gummi auf dem Wasser treiben zu lassen? Nachts? Bei Ebbe oder einer Strömung, die ihn aufs offene Meer hinausziehen kann? Ein kleiner Riß? Haie? So jemand ist eine Schande für alle Fischer.«
     
    Kommissarin Osorio war von Casablanca gründlich angewidert. In der örtlichen PNR-Station, die so düster war, daß einem Che als ein verstaubtes Gespenst erschien, ließen sich die Beamten nur mit Mühe dazu bewegen, Andres’ Aussage aufzunehmen und ihr eine Quittung für die Siegel zu geben.
    Arkadi hingegen war zufrieden, weil er etwas halbwegs Professionelles geleistet hatte. Auf der Rückfahrt kaufte er eine Papiertüte mit gerösteten Erdnüssen und drängte die Kommissarin, sie mit ihm zu teilen.
    Ihre Haltung hatte sich ein wenig geändert. »Dieser Andres hat uns die gefundenen Siegel nur gezeigt, weil er Ihnen in die Augen gesehen hat. Sie wußten, daß er etwas zu verbergen hatte. Wie haben Sie das gemacht?«
    Tatsächlich hatte Arkadi sich von dem Moment an, in dem er die Werft betreten hatte, von dem Boot und den speerartigen Pfählen der »Mutterleine« angezogen

Weitere Kostenlose Bücher