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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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hätten die Fänge ihr Opfer bestimmt nicht erwischt.
    Jetzt mußte sie die Lage aufs neue einschätzen. Sie war zwar gebissen worden, aber andererseits besaß sie genug Körpermasse, um das Gift noch vor der tödlichen Schwelle hinreichend zu verdünnen. Wenn es ein armseliger Biß gewesen sein sollte und wenn es sich vielleicht um eine nur leicht giftige Variante einer Schlangenart handelte, anstatt um eine hochgiftige, dann würde sie es überleben. Aber auf jeden Fall würde sie Schmerzen erleiden müssen und wahrscheinlich noch dazu die Fährte verlieren.
    Und doch fühlte sie sich gar nicht so schlimm. Die Taubheit ließ nach und konzentrierte sich nur noch um die Bißstelle herum. Ob ihr Körper das Gift so erfolgreich abgewehrt hatte? Wie war das möglich? Sie besaß doch gar keine besondere Immunität; tatsächlich hätte ihr Zustand sich durch den ausgelösten Zauber verschlimmern müssen. Zu schade, daß der Zauber nicht die Schlange vernichtet hatte!
    Der Zauber? Imbri fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und verspürte einen leichten Nachgeschmack. Das war gar kein Angriffszauber gewesen, sondern Hexenelixier! Kein Wunder, daß sie nicht unter dem Schlangenbiß zu leiden hatte! Sie war zufällig auf das Elixier gestoßen, auf das einzige Mittel, das den Schlangenbiß neutralisieren und ihre schwindende Energie erneuern konnte. Sie hatte das Glück von König Bink gehabt!
    Glück? In Binks Fall war das gar kein Glück, sondern sein magisches Talent. Sie wußte nun, daß es auf recht verzwickte und scheinbar verworrene Weise funktioniert hatte, um in früheren Jahren einer Entdeckung zu entgehen und seine Anonymität zu wahren. Es konnte gar nicht nur auf seinen persönlichen Erlebnisbereich beschränkt bleiben, denn es mußte jede Art von Magie betreffen, die ihn indirekt bedrohte. Was, wenn er nun in Schwierigkeiten gewesen wäre, für die man die Magie verantwortlich machen konnte – wie hätte sein Talent diese Gefahr durch scheinbare Zufälle dann wohl gebannt?
    Es hätte beispielsweise dafür sorgen können, daß die Phiole mit dem Elixier in die Nähe dieser Stelle gespült wurde, damit er sie rechtzeitig entdeckte, nachdem die Schlange ihn angegriffen hatte. Doch die Schlange hatte ihn nicht angegriffen, denn das hatte sein Talent schon auf direkte Weise verhindert. Wozu dann aber das unbenutzte Elixier?
    Vielleicht geschah dies alles auch auf einer noch viel subtileren Ebene. Bink wurde von einem Mundanier bedroht – doch in der magischen Umwelt Xanths mußte Varsoboes einfach von der Magie profitieren, und wenn es nur wenig war, weil niemand dies hierzulande vermeiden konnte. Also war die Bedrohung auf indirekte Weise auch magischer Natur, weshalb sein Talent ihn auch davor schützen mußte. Dies freilich wiederum auf höchst indirekte, subtile Weise, weil es sich ja um einen Grenzfall handelte.
    Sein Talent hatte es vielleicht so eingerichtet, daß er jemanden hatte, der ihm im richtigen Augenblick Hilfe brachte, um ihn vor dem Mundanier zu beschützen. Möglicherweise benötigte er das Heilelixier, weil Varsoboes ihm eine Wunde zugefügt hatte, weshalb es jetzt auch hier lag. Imbri war selbst zum Werkzeug der Magie des Königs geworden, und sie wurde insgeheim von eben dieser Magie beschützt, damit sie ihre Mission erfüllen konnte.
    Sie überprüfte den Boden. Durch einen merkwürdigen Zufall war der untere Teil der Phiole aufrecht ins Gras gefallen und enthielt noch immer etwas von der Flüssigkeit.
    Zufall?
    Imbri fand auch den Korken und setzte ihn behutsam in den zerschlagenen Hals der Flasche, um ihn dann sanft mit der Nase festzudrücken. Der Korken paßte wie angegossen und versiegelte das kostbare Naß. Zwar enthielt die zerstörte Phiole nur noch wenige Tropfen davon, doch das würde für ihre Zwecke auf jeden Fall genügen. Imbri hatte, was König Bink brauchte.
    Sie schritt weiter, wobei sie die Phiole vorsichtig im Maul trug. Jetzt war sie schon etwas zuversichtlicher. Sie kam schneller voran, und die Fährte wurde immer frischer. Dennoch hatte sie noch einen beträchtlichen Vorsprung aufzuholen.
    Als sie die Spaltenschlucht erreichte, war es bereits einige Zeit nach Mittag. Hier änderte sich die Fährte plötzlich: Es waren Zeichen eines Kampfes zu sehen, Blut war in den Boden gesickert, doch es waren keine Menschen da.
    Sie schnüffelte, suchte herum und kam zu dem Schluß: Varsoboes hatte, was ja auch begreiflich war, die Spalte vergessen, das taten schließlich die

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