Nacht-Mähre
müsse. Tandy war als erste hinübergegangen und hatte die Brücke unmittelbar vor sich dadurch wirklich gemacht und war direkt vor der Nordverankerung stehengeblieben. Crombie hatte sich dagegen am Südende aufgestellt, wodurch die Brücke zwischen ihm und seiner Tochter wirklich blieb, worauf Arnolde und Chamäleon dann über die derart befestigte Brücke geschritten waren. Wäre Grundy bei ihnen gewesen, hätte der Golem sich mit Hilfe des fliegenden Teppichs auf die andere Seite befördern können, doch der war schon lange vorher zum Schloß des Guten Magiers zurückgekehrt, um dort Wache zu halten, bis die Gorgone mit ihrer Schwester, der Sirene, zurückkehrte. Tatsächlich, erklärte Arnolde, hätte er kaum sein Gewicht einem Teppich anvertraut, der für menschliche Maßstäbe zugeschnitten war. Sobald die Reisenden die Brücke überquert hatten, waren Crombie und Tandy auf ihren jeweiligen Seiten an Land gesprungen. Tandy wollte danach zur unsichtbaren Brücke gehen, um diese zu überqueren und am Abend wieder auf Schloß Roogna einzutreffen.
»Aber Xanth bei Nacht ist doch gefährlich!« protestierte Imbri.
»Ach, sie ist die Frau des Ogers, und der Pfad ist verzaubert. Nicht einmal ein Gewirrbaum würde es ohne weiteres wagen, sie zu belästigen«, meinte Königin Iris etwas grimmig.
Aber das war kaum eine wirkliche Beruhigung. König Bink war der Verzauberung zum Opfer gefallen, und Xanth besaß einen neuen König. Chamäleon hatte nun sowohl einen Sohn als auch einen Mann zu beklagen. Welch ein Leid dieser Reitersmann in seiner Machtgier über Xanth gebracht hatte!
»Leider kommt diese Entwicklung nicht gänzlich überraschend«, bemerkte Arnolde auf seine etwas pedantische Weise, als Königin Iris das Thema der Krone zur Sprache brachte. »Als Archivar bin ich mit dem Protokoll vertraut. Xanth braucht einen Magierkönig, und es wird nirgendwo verlangt, daß es ein Mensch sein muß.«
»Es kann auch ein Zentaur sein«, pflichtete Königin Iris ihm bei. »Die Väter des xanthischen Grundgesetzes haben wohl nicht mit einem Zentaurenmagier gerechnet.«
»Wahrscheinlich nicht«, meinte Arnolde. »Möglicherweise haben sie auch nicht mit dem Unheil gerechnet, welches der Reitersmann jetzt über das Land gebracht hat. Aber ich wollte eigentlich auf etwas anderes hinaus. Wo befindet sich der Ältestenrat der Menschen Xanths?«
»Roland ist hier im Schloß«, teilte Königin Iris ihm mit. »Das ist Binks Vater, Dors Großvater. Er ist zwar alt und gebrechlich, doch sein Geist ist nach wie vor klar. Er mußte sein Heim im Norddorf verlassen, als die Mundanier es gebrandschatzt haben. Ich bin sicher, daß er auch für die Ältesten sprechen kann, denn er gehört zu ihrem Rat.«
»Ich muß ihn sofort sprechen.«
Sie brachten Roland herbei, denn der König hatte gesprochen. Roland war so alt wie König Trent, noch immer stämmig und aufrecht, aber das Alter hatte ihn in seiner Beweglichkeit und in seiner Sicht beeinträchtigt. Während der relativ friedlichen und ruhigen Regierungszeit Trents hatte der Ältestenrat nur wenig zu tun gehabt und hatte eine eher zeremonielle Funktion bekommen. Doch Roland war noch immer im vollen Besitz seiner magischen Kräfte; sein Talent bestand darin, Leute zu lähmen.
»Roland, ich möchte einige Kommentare zu gewissen Punkten des xanthischen Gesetzes abgeben«, sagte Arnolde. »Und es wäre mir lieb, wenn Ihr diese mittragen würdet.«
»Gesetzeskommentare!« schnaubte Königin Iris. »Warum vergeudet Ihr Eure Zeit mit solch einem bürokratischen Unfug, wenn Xanth sich in der größten Krise seiner Geschichte befindet und jederzeit dem Feind zum Opfer fallen kann?«
Arnolde blickte sie wortlos an und wedelte duldsam mit seinem Schweif.
»… äh, Euer Majestät«, fügte sie verlegen hinzu. »Ich bitte um Vergebung für meinen unschicklichen Temperamentsausbruch.«
»Ihr werdet Eure Antwort schon zu gegebener Zeit bekommen«, erwiderte der Zentaurenkönig sanft. »Roland?«
Die Augen des alten Mannes begannen zu funkeln. Das klang ja nach einer richtigen Herausforderung! »Wie lautet Euer Kommentar, König Arnolde?«
Imbri bemerkte, wie peinlich genau die beiden Männer auf Titel und Anredeformen achteten, um auf diese Weise die Macht und die Kontinuität des Königtums zu unterstreichen, das für das Überleben Xanths so lebenswichtig war.
»Xanth braucht einen König, der ein Magier ist«, sagte der Zentaur. »Die Definition der Bezeichnung ›Magier‹ ist jedoch
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