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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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war tatsächlich wachsam geblieben und hatte um das Wesen seines Gegners gewußt. Imbri war erleichtert. Aber was war danach geschehen?
    Sie suchte und entdeckte schließlich zwei Fährten in der Nacht. Bink, der Varsoboes gefolgt war. Der Geschädigte, der den Schuldigen verfolgte. Das Waffenstillstandsabkommen war einseitig verletzt worden, was dem König die Last abnahm, sein Vertrauen noch weiterhin zu vergeuden, und nun war der Kampf wieder aufs neue entbrannt, und zwar auf Leben und Tod. Bink hatte sich im offenen Kampf als der Stärkere erwiesen, sich aber aus ethischen Gründen gezügelt, ohne jedoch dabei naiv zu sein. Varsoboes hatte die Sache sowohl taktisch als auch ethisch verpatzt und konnte nun auf keine Schonung mehr hoffen.
    Imbri folgte der Fährte nur mit Mühe, und sie wußte, daß sie kostbare Zeit verlor. Bink und Varsoboes hatten sich in der Stunde vor Einsetzen der Morgendämmerung anscheinend sehr schnell von der Stelle bewegt, während Imbri nur langsam vorankam, weil sie die Witterung nicht verlieren durfte. Das Gelände war für eine Verfolgung auch nicht besonders gut geeignet, denn es war abwechselnd felsig und moorig, und die Spuren vom umherschweifenden, nach Beute suchenden Tieren verdeckten die Fährten der Menschen mehr als einmal.
    Da erblickte sie etwas seitlich von der Fährte in einer Mulde. Sie machte einen Abstecher, um es zu untersuchen. Es war eine verkorkte Phiole, die ein gelbliches Etwas enthielt, das sowohl ein Dampf als auch eine Flüssigkeit hätte sein können. Einer der Zauber des Magiers Humfrey, der von der Flut unversehrt an diese Stelle gespült worden war. Was sollte sie mit ihm machen? Sie wollte ihn nicht zurücklassen, aber als einzige Alternative bot sich nur an, die Phiole im Maul mit sich zu tragen. Das war lästig und nicht ganz ungefährlich, vor allem dann, wenn sie aus Versehen darauf beißen und das Glas zerbrechen sollte. Was, wenn es ein Flaschengeist war? Andererseits steckte Xanth voller Gefahren, und es konnte gut sein, daß sie die Hilfe eines Zaubers einmal sehr benötigen würde. Also hob sie die Phiole auf und nahm sie vorsichtig zwischen die Lippen.
    Die Fährte schien kein Ende finden zu wollen. Stunden vergingen, und immer weiter führte sie gen Norden. Imbri gelangte zu der Überzeugung: Varsoboes hatte fliehen wollen, nachdem er hatte feststellen müssen, daß König Bink ihm überlegen war. Der Punier versuchte, bis zu seiner zweiten Armee vorzustoßen, die in der Zwischenzeit von dem Reitersmann befehligt wurde, um mit ihr einen weiteren und noch viel vernichtenderen Vorstoß gegen Schloß Roogna zu unternehmen. Die erste Armee hatte den Widerstand gebrochen, die zweite würde die Eroberung vollenden.
    Da hörte sie ein Zischen. Eine fliegende Schlange fühlte sich von Imbri in ihrem Revieranspruch verletzt. Sie gehörte zu der flügellosen Art, die sich mit reiner Magie in die Lüfte hob und sich durch die unsichtbaren Säulen der Luft schlängelte. Es war eine große Schlange, etwa zweimal so lang wie Imbri, und an ihren Fängen glitzerte giftiger Speichel. Doch sie konnte ihr Revier nicht umgehen, ohne die Fährte zu verlieren und wertvolle Zeit zu vergeuden.
    Imbri zögerte, doch die Schlange tat das genaue Gegenteil. Sie zischte und schoß mit geiferndem Maul auf die Mähre zu. Unwillkürlich bleckte Imbri die Zähne, bereit für einen Kampf – und zerbrach dabei unversehens die Phiole, die sie schon wieder ganz vergessen hatte. Sofort spuckte sie sie aus, doch ein Tropfen der Flüssigkeit benetzte ihre Zunge. Das Zeug war gar nicht gelb, das war nur die Farbe des Glases gewesen, und es war nicht nur farb-, sondern auch geschmackslos. Schlichtes Wasser?
    Da schlug die Schlange zu und grub ihre spitzen Fänge in Imbris Hals. Eine Katastrophe! Imbri spürte, wie das Gift sie zu lähmen begann und sich viel schneller über ihren Körper verteilte, als es beim Biß der Luftschlange der Fall gewesen war. Diese Schlange hier war größer und tödlicher. Wie sie Schlangen doch haßte!
    Imbri riß den Kopf herum und hob den Vorderhuf, um die Schlange zu Boden zu treten. Das Reptil zischte und schoß erneut auf sie zu, doch da stampfte die Mähre den Schlangenkopf auch schon in den Boden und zertrampelte ihn. Das Ding war so dumm gewesen, eine Kampfmähre anzugreifen; Pferde wußten, wie man mit Schlangen umzugehen hatte. Doch wegen ihrer Übermüdung und der Ablenkung durch die zerborstene Flasche hatte Imbri zu langsam reagiert, sonst

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