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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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ziemlich unscharf; ich interpretiere ›Magier‹ als eine Person, deren magisches Talent in gewissem Umfang größer ist als das der meisten Leute. Das ist natürlich eine relative Angelegenheit; wenn die allerstärksten Talente nicht mehr vorhanden sind, muß das stärkste verbliebene Talent diese Bezeichnung verdienen.«
    »Einverstanden«, sagte Roland.
    »Unter den gegenwärtigen Umständen wäre also Euer Talent das nächste…«
    »O nein, das werdet Ihr nicht tun!« protestierte Roland heftig. »Ich sehe zwar die Notwendigkeit und den Handlungsbedarf ein, neuen Talenten den Magierstatus zuzusprechen, um die Thronfolge zu gewährleisten, und diese Lösung werde ich auch unterstützen. Aber ich bin viel zu alt dafür, um die schwere Bürde des Königsamts noch verkraften zu können!«
    Wie klug und raffiniert! dachte Imbri. Natürlich würde Xanth mit Hilfe dieser Lösung seine nächsten Könige bekommen! Wie weitsichtig und klug Arnolde doch war, und wie gut er diese Krise meisterte! Es war wirklich von allergrößter Wichtigkeit, daß jemand zum Nachfolger Arnoldes bestimmt wurde, da Humfreys Prophezeiung zufolge vier weitere Könige auf den Zentauren folgen würden. Wenn Arnolde sein Amt verlieren sollte, bevor er dieses Problem gelöst hatte, würde es ein totales Chaos geben.
    »Nun, dann betrachten wir doch einmal die Talente der jüngeren Leute. Irene, zum Beispiel, sollte nun als Zauberin eingestuft werden, da ihre Magie weit über den Durchschnitt hinausragt und unsere Spitzentalente von der Bildfläche verschwunden sind.«
    »Das ist richtig«, meinte Roland. »Ich habe selbst schon immer insgeheim die Meinung vertreten, daß man sie zur Zauberin erklären sollte; und im Augenblick qualifiziert ihr relatives Talent sie mit Sicherheit dafür. Doch wird dies dem Königreich und dem Thron keinen Gewinn bescheren, da sie eine Frau ist.«
    Königin Irene befand sich oben mit Chamäleon bei ihren unglücklichen Ehemännern. Sonst hätte sie sich für die Wendung, die das Gespräch genommen hatte, mit Sicherheit sehr interessiert, das wußte Imbri. Königin Iris reagierte jedoch mit erfreuter Überraschung.
    »Inwieweit ist die Macht einer Zauberin der eines Magiers unterlegen?« fragte Arnolde rhetorisch.
    »Überhaupt nicht!« warf Königin Iris ein. Das war schon seit Jahrzehnten ihr wunder Punkt.
    »Überhaupt nicht«, wiederholte Roland lächelnd.
    »Dann stimmen wir also dahingehend überein, daß der Unterschied ein rein formaler, ja kosmetischer ist«, fuhr Arnolde fort. »Eine Zauberin ist also de facto ein weiblicher Magier.«
    »Korrekt«, gab Roland zu. »Ein Magier. Die Terminologie ist eigentlich in sich unerheblich, denn sie dokumentiert nur ein uraltes Vorurteil.«
    »Ein Vorurteil«, sagte König Arnolde. »Da haben wir nun ein wirklich problematisches Konzept vor uns! Meine Rasse hegt Vorurteile gegen bestimmte Formen der Magie, das mußte ich am eigenen Leibe erfahren. Eure Rasse hegt Vorurteile gegenüber Frauen.«
    »Keineswegs!« widersprach Roland. »Wir schätzen und respektieren unsere Frauen.«
    »Und doch diskriminiert Ihr sie systematisch.«
    »Das tun wir keines…«
    »Und ob!« sagte Iris leise, aber heftig.
    »Ich bin also eines anderen belehrt worden«, sagte der Zentaur mit einem rätselhaften Lächeln. »Es gibt in der Rechtsprechung Xanths keinen rechtlichen Unterschied zwischen den menschlichen Geschlechtern.«
    »Na ja…« sagte Roland. Er schien etwas begriffen zu haben, was Imbri und die Königin noch nicht verstanden.
    »Dann seht Ihr also keinen Grund dafür«, fuhr Arnolde fort, »weshalb eine Frau, sollte sie den notwendigen Anforderungen ansonsten entsprechen, nicht den Thron von Xanth besteigen sollte?«
    Königin Iris blieb die Luft weg. Imbri, die endlich merkte, worauf der Zentaur hinauswollte, ließ ein Träumchen los, in dem eine Kirschbombe der Erkenntnis explodierte. Welch ein kühner, raffinierter Angang des Problems!
    Roland blinzelte den Zentauren von unten her an. Fast hätte er gekichert. »Ihr seid doch mit Sicherheit darüber informiert, daß der Thron von Xanth nach altem Brauch Königen vorbehalten ist?«
    »Dessen bin ich mir sehr wohl bewußt. Doch spricht dieser Brauch auch davon, daß der Begriff ›König‹ unbedingt eine männliche Bedeutung haben muß?«
    »Eine derartige Definition ist mir nicht bekannt«, erwiderte Roland. »Ich nehme an, daß der Gewohnheitsbrauch den Begriff nur aus Gründen der Praktikabilität als männlich

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