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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Botschaft übermittelt. Jetzt bin ich in seiner Mission unterwegs.«
    »Das genügt nicht. Dem König droht unmittelbarer Verrat. Du mußt ihn vor dem Reitersmann warnen.«
    »Das habe ich doch schon getan, ich hab’s dir doch gerade eben erzählt!« empörte sich Imbri.
    »Du mußt es ihm noch einmal sagen.«
    Imbri wechselte lieber das Thema. »Wo ist Vampi?« Sie hatte eine ganz besondere Zuneigung zu Christa und Vampi, denn diese beiden Mähren hatten zur selben Zeit wie Imbri je eine Seelenhälfte abbekommen. Doch die anderen hatten ihre Hälften nicht behalten. Sie waren durch die Seelenhälften eines Dämons ersetzt worden, der zynisch und grausam war, was ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschaffte, weil es ihren Alpträumen eine zusätzliche Note des Entsetzens verliehen hatte. Daher durften sie stets mit den aufregendsten Aufträgen rechnen. Doch selbst dies hatte sie nicht so recht befriedigt, und so hatten sie ihre Seelenhälften im Zentralbüro abgegeben. Also war Imbri nun die einzige Nachtmähre, die einen Seelenteil besaß. Dennoch fühlte sie sich den beiden stärker verbunden als ihren anderen ehemaligen Kameradinnen, denn sie verstanden, was es bedeuten konnte, eine Seele zu besitzen.
    »Vaporum ist bei Chamäleon. Noch einen Augenblick, dann wird die Frau schreiend erwachen. Dann müßt ihr euch aufmachen und den König warnen.«
    Imbri fing an zu protestieren, doch da ertönte bereits Chamäleons schriller Schrei, und beide, Mähre und Frau, wachten abrupt auf. Sofort huschten Vampi und Christa davon und ließen nur ihre Hufabdrücke als Kennmarke zurück. Imbri war traurig; nun galt sie als sterbliches Lebewesen, dem es nicht gestattet war, im Wachzustand eine Nachtmähre zu erblicken. Das zehrte an ihr, denn immerhin hatte sie den größten Teil ihres Lebens darauf verwandt, ihrem Beruf nachzugehen. Wie schnell es doch mit den Rechten und Vorteilen eines Berufs vorbei war, sobald man sich zur Ruhe gesetzt hatte! Doch das war eben der Preis, den sie für die Chance bezahlt hatte, den Regenbogen zu sehen.
    Sie schritt zu Chamäleon hinüber, die sich hysterisch an ihr festklammerte. »Ach, es war einfach entsetzlich, Imbri! Was für ein Alptraum! Hast du früher wirklich auch so etwas gemacht?«
    »Ja, aber ich war nicht besonders gut«, sandte Imbri ihre Antwort. Sie empfand eine Spur Reue. Offensichtlich hatte die Mähre Vaporum jenes gewisse schreckliche Etwas beibehalten, das Imbri selbst abhanden gekommen war. »Was hast du denn geträumt?«
    »Ich habe geträumt, daß König Trent kurz vor dem Tod stand, oder vor etwas beinahe ebenso Schrecklichem! Wir müssen sofort zurück und ihn warnen!« Noch immer keuchte sie in abgehackten Zügen, das wunderschöne Haar völlig zerzaust.
    »Steig auf, Frau«, projizierte Imbri. »Wir reiten sofort los.«
    Die Gorgone erschien mit einer brennenden Kerze, die ihr leeres Gesicht in ein merkwürdiges Licht hüllte und die kleinen Schlangen zeigte, die ihr Haar bildeten. »Mitternacht«, sagte sie. »Es wird Zeit – ach so, ihr seid schon fertig. Kommt ruhig mal wieder vorbei!«
    »Das werden wir!« rief Chamäleon ihr zu. Ihre Stimmung hob sich durch die Begegnung mit ihrer gesichtslosen Freundin ein wenig. Dann jagte Imbri durch die Wand, und sie waren auf dem Weg.
    Diesmal machten ihnen weder die Felsgeister noch die Zentikora oder der Nöck zu schaffen. Imbri war in ihrer Nachtmährengestalt und drang durch alles hindurch, und Chamäleon konnte ebenfalls alles durchdringen, weil sie mit ihr zusammen war und dies nun einmal das Wesen der Nachtmährenmagie ausmachte. Sie galoppierten in gerader Linie auf Schloß Roogna zu und glitten mühelos durch Bäume und Felsen und sogar durch einen schlafenden Drachen, ohne auf Widerstand zu stoßen. Chamäleon war angenehm überrascht; sie war ein dankbares Publikum für derlei Dinge, und das ließ Imbris Stimmung wieder steigen.
    »Ach nein!« rief Chamäleon. »Ich habe ja die Entführung völlig vergessen!«
    Das stimmte – die sollte heute nacht stattfinden, um Prinz Dor zu verheiraten. Chamäleon war die Mutter des Opfers, da war es klar, daß sie dem Ganzen beiwohnen wollte. »Wir schaffen es schon noch«, projizierte Imbri.
    »Nein, das schaffen wir nicht«, jammerte Chamäleon. »Es sollte um Mitternacht sein, und wir haben noch mehrere Stunden Wegstrecke vor uns. Und es ist schon nach Mitternacht!«
    Imbri wollte diese wunderschöne und unschuldige Frau nicht unglücklich sehen. »Wir können auch

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