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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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schneller reisen – aber die Strecke, die wir dann entlang müssen, wird dir vielleicht nicht sonderlich gut gefallen.«
    »Egal!« rief Chamäleon. »Und wenn wir wenigstens noch das Ende der Zeremonie miterleben! Mein armer kleiner Junge – ich weiß ja, daß es ihn sooo glücklich machen wird!«
    Imbri hatte zwar einige Schwierigkeiten, den Gedankengängen der Frau diesmal zu folgen, doch sie kam zu dem Schluß, daß Chamäleon ihrem Sohn und seiner Heirat gegenüber recht gemischte Gefühle hegte. Aber dafür waren Mütter ja geradezu berüchtigt. »Dann halt dich gut fest und fürchte dich vor nichts, was du unterwegs sehen magst.« Imbri galoppierte in ein Feld mit Hypnokürbissen und stürzte in einen von ihnen hinein.
    Sie fanden sich auf einem Friedhof wieder. »Oh, sind wir etwa schon da?« fragte Chamäleon erstaunt. »Auf dem Zombiefriedhof?«
    »Noch nicht«, erwiderte Imbri. »Bleib weiter auf mir sitzen!« Denn wenn die Frau auch nur einen Fuß auf den Boden dieser Welt setzen sollte, würde sie sich so leicht nicht wieder befreien. So war das eben im Reich der Nacht.
    Ein wandelndes Skelett mit weiß leuchtenden Augenhöhlen erschien und griff nach Chamäleon. »Geh weg!« schrie die Frau und schob den Arm beiseite. »Du bist kein Zombie! Dafür bist du viel zu sauber!« Verblüfft wich das Skelett zurück.
    »Sie sind recht vorsichtig geworden, was Besucher angeht, seit mal ein Oger hier war und sie ziemlich eingeschüchtert hat«, schickte Imbri Chamäleon ihre Botschaft. Nachdem der Oger verschwunden war, hatte es Wochen gedauert, bis sich die Skelette wieder halbwegs organisiert hatten, da ihre Knochen hoffnungslos durcheinander gewirbelt worden waren. Wahrscheinlich trug das eine oder andere von ihnen immer noch ein paar falsche Teile mit sich herum.
    Imbri jagte in das Spukhaus hinein. Eines der dort ansässigen Gespenster kam mit weißem Leuchten auf Chamäleon zugeschwebt. »Ach, sind wir etwa schon auf Schloß Roogna?« fragte sie. »Den Geist kenne ich ja gar nicht.« Angewidert löste das Gespenst sich wieder auf. Es glaubte wohl, in seiner Wirkung nachgelassen zu haben. Imbri kannte das Gefühl; es gab kaum etwas Demütigenderes, als wenn die eigene Arbeit nicht anerkannt wurde, zumal wenn diese aus dem Erzeugen von Angst bestand.
    Nun schoß Imbri aus der Vorderwand des Hauses hinaus und galoppierte einen kurzen Gartenweg entlang, durch die Zierhecke hindurch, und gelangte schließlich an ein düsteres schwarzes Moor. Der Boden wurde immer schwammiger und sperrte finstere Mäuler auf, um damit Eindringlinge zu verschlingen, doch die Nachtmähre sprang mühelos darüber hinweg. Die Schrecken der Nachtwelt waren für andere vorbehalten als für sie. Sie mochte zwar inzwischen im Ruhestand leben, aber gänzlich hatte sie den Bezug dazu doch noch nicht verloren.
    Sie ritt den Steilhang eines Berges hinauf, der wie ein brennender Gletscher aussah. Amorphe Gestalten lauerten hier und faßten mit zahllosen Händen und hungrigen Schnauzen nach Chamäleon. Mißgestaltete Augen funkelten.
    Jetzt empfand die Frau Angst, denn mit dieser Art von Ungeheuern hatte sie noch keine Erfahrung sammeln können. Zombies und Gespenster waren ihr vertraut, amorphe Ungeheuer jedoch nicht. Sie beugte sich vor und versteckte ihr Gesicht in Imbris Mähne. Das gehörte auch zu den Eigenschaften der Menschen: Sie fürchteten sich meistens vor dem Unvertrauten oder Unbekannten, obwohl es oft viel weniger gefährlich war als das Bekannte.
    Da stießen sie auch schon wieder durch die Kürbisrinde und verließen die Nachtwelt, durch die ihre Abkürzung sie geführt hatte. Bei Nacht konnten die Nachtmähren so gut wie jeden Punkt in Xanth fast sofort aufsuchen, wenn sie die richtigen Kürbisse benutzten. Nun befanden sie sich in einem Kürbisfeld unweit von Schloß Roogna.
    Chamäleons Angst legte sich etwas, als sie merkte, daß sie wieder in der wirklichen Welt von Xanth war. »Lebst du tatsächlich dort?« fragte sie. »Inmitten all dieser Schrecken?«
    »Das Xanth des Tageslichts erscheint mit viel gefährlicher«, meinte Imbri. »Gewirrbäume und feste Felsbrocken und Mundanier – die genügen mir schon als Ungeheuer!«
    »Wahrscheinlich«, murmelte Chamäleon ohne große Überzeugung. »Sind wir in der Nähe des Friedhofs?«
    »Ganz in der Nähe.« Imbri jagte in seiner Richtung davon.
    »Warte!« rief Chamäleon. »Wir müssen uns kostümieren!«
    »Kostümieren?« An was dachte dieses seltsame Wesen denn jetzt

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