Nacht-Mähre
ja der reinste Basilisk! Aber vielleicht ist er gerade trotz all seiner Arroganz ehrlich. Es ist denkbar, daß seine pervertierten Ehrvorstellungen ihm mehr bedeuten als die Meinung einer einfachen Mähre, und außerdem hofft er darauf, mit deiner Hilfe das Tagpferd wieder einzufangen. Wahrscheinlich wird er versuchen, dir zu folgen, wenn du fliehst. Wenigstens weiß er nichts von mir. Ich kann die Seile entknoten und aus dem Gehege krabbeln und dich wahrscheinlich selbst dann noch befreien, wenn sie riesige Feuer entzünden sollten.«
»Das wollen wir uns lieber als allerletzte Möglichkeit aufheben«, meinte sie. »Wenn der Reitersmann, aus welchem Grund auch immer, Wort hält, wird das gar nicht nötig sein.«
»Aber ich kann auskundschaften, wo sie Ichabod gefangenhalten. Das wird die Sache vereinfachen und beschleunigen, wenn wir heute nacht handeln.«
»Ja«, stimmte sie ihm zu, und ihr von dem Reitersmann angekratztes Selbstvertrauen erholte sich wieder etwas. »Aber bis dahin müssen wir uns dumm stellen.«
»Na klar.« Doch obwohl der Golem wie eine kraftlose Puppe auf Imbris Rücken lag, befragte er zur gleichen Zeit doch auch die nahen Pflanzen und Lebewesen. Am Rande des Geheges wuchs ein Grashalm, der sich bisher irgendwie der Aufmerksamkeit aller Pferde hatte entziehen können. Grundy drohte ihm, daß seine Freundin die Mähre ihn bis auf die Wurzeln auffressen würde, wenn er seine Fragen nicht beantwortete, was den Grashalm natürlich einschüchterte. Grundy benutzte die gleichen Druckmittel, wie es der Reitersmann getan hatte, und Imbri überlegte sich, daß es zwischen ihnen ethisch gesehen eigentlich kaum Unterschiede zu geben schien. Das bekümmerte sie, aber dennoch protestierte sie nicht dagegen.
Der Grashalm erzählte Grundy alles, was er über die Mundanier der Nächstwelle wußte – das war allerdings nicht allzuviel. Vor zwei Tagen hatten die Soldaten hier ihr Lager aufgeschlagen. Sie nannten sich Punier, obwohl sie zum überwiegenden Teil aus Iberien und Marokko stammten, wo immer das auch sein mochte. Viele von ihnen hatten wunde Füße von ihrem anstrengenden Marsch über die Berge, weshalb sie sich jetzt auch ausruhten.
Grundy befragte auch eine Spinne, die dicht am Gehegezaun ein kleines Netz gesponnen hatte. Die Spinne meinte, daß die Mundanier eine Menge fetter, leckerer Läuse und Flöhe aus Mundania mitgeschleppt hätten. Die Spinne hatte sich darum bemüht, die Sprache ihrer Opfer zu erlernen und hatte auf diese Weise eine Menge mundanischen Flohtratsch aufgepickt.
Der Marsch durch die Berge war entsetzlich gewesen. Offenbar waren die mundanischen Jahreszeiten wesentlich härter und unfreundlicher als die xanthischen, und die hohen Berge waren mit magischen Eismassen bedeckt, die man Gletscher nannte und die jede Überquerung zu einer gefährlichen, waghalsigen Sache machte. Sie hatten ihre Expedition mit zwölfhundert Mann und neun Elefanten begonnen, jedoch ein Drittel der Mannschaft und zwei Drittel der Elefanten verloren. Aus Besoldungsgründen (was immer das sein mochte) weigerte sich Varsoboes jedoch, den Verlust seiner Männer anzuerkennen. Sie hatten außerdem zweihundert Pferde dabei gehabt, von denen jetzt nur noch fünfzehn übriggeblieben waren; einige davon sind ihnen außerdem davongelaufen, als sie Xanth erreicht haben.
»Das Tagpferd!« projizierte Imbri.
»Ja, das war eines von mehreren«, meinte Grundy. »Die Spinne kennt die Pferde natürlich nicht beim Namen, aber es paßt ins Muster. Das Tagpferd ist für ein mundanisches Tier recht klug, so daß es wahrscheinlich besser gefahren ist als die anderen Flüchtlinge, die sich mittlerweile wahrscheinlich zum größten Teil in irgendwelchen Drachenbäuchen aufhalten.«
»Was halten denn die Soldaten von Xanth?«
Grundy fragte die Spinne danach. »Sie murren ziemlich viel«, berichtete er nach einer Weile. »Sie haben keinen Lohn erhalten, deshalb müssen sie auch plündern. Viele von ihnen sind Gewirrbäumen zum Opfer gefallen, in Drachennester gestolpert oder in von Ungeheuern bewohnte Gewässer gestürzt. Einige wurden in Fische verwandelt, weil sie Wasser aus einem verzauberten Fluß getrunken hatten. Das hat die Spinne von einem Floh, der sich gerade noch rechtzeitig von einem solchen Mann abgesetzt hat. Andere wiederum sind Nymphen hinterhergejagt und nie wieder aus dem Urwald aufgetaucht. Sie haben in Xanth an die zweihundert Mann verloren. Deshalb gehen sie jetzt auch wesentlich vorsichtiger vor
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