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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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projizierte Imbri zu Grundy und Ichabod. »Ich traue diesem Mann nicht.«
    »Ja, er lügt bestimmt«, erwiderte Grundy im Traum. Im wirklichen Leben lag er auf Imbris Schulter und spielte eine leblose Puppe. »Er weiß, daß dies hier nicht Rom ist, oder wo immer er hin will. Er stellt dich auf die Probe, wahrscheinlich um festzustellen, ob du ihn anlügst.«
    »Wenn ihr nicht bis Italien findet«, fuhr Ichabod laut fort, »dann wird Hannibal nicht die nötige Verstärkung erhalten und in ernste Schwierigkeiten geraten. Wir könnten euch helfen, den Weg zu finden.«
    »Wenn das hier, wie du behauptest, nicht Italien ist«, entgegnete Varsoboes, »dann ist es vielleicht doch reif zum Plündern. Meine Soldaten haben eine anstrengende Reise hinter sich und haben sich eine Belohnung verdient. Wer regiert euch hier?«
    »König Trent«, sagte Ichabod. »Ich meine, König Dor.«
    »Ach, hat es da kürzlich einen Wechsel gegeben?« fragte der Mundanier in scharfem aufmerksamen Ton.
    »Äh, ja, aber das betrifft euch ja nicht.«
    »Oh, das glaube ich aber doch! Was ist mit dem alten König passiert?«
    Ichabod verstand sich nicht auf die Kunst der Täuschung. »Es ist ihm ein Mißgeschick zugestoßen. Vielleicht wird er sich schon bald wieder erholt haben.«
    »Vielleicht wird aber auch König Dor, sollte er sich als fähig erweisen, ein ähnliches Mißgeschick erleiden«, murmelte Varsoboes.
    »Er weiß mit Sicherheit irgend etwas, was wir nicht wissen«, projizierte Imbri. Mit Mühe gelang es ihr, die Ohren nicht anzulegen, um nicht preiszugeben, daß sie das Gespräch verstehen konnte.
    »Was weißt du über unsere Könige?« fragte Ichabod, obwohl er ja eigentlich gar kein richtiger Bürger Xanths war.
    Varsoboes zuckte mit den Schultern. »Nur, daß sie sterblich sind, wie alle Menschen.« Er blickte Ichabod bedeutungsvoll an. »Was soll ich nun mit dir anfangen, Spion? Ich werde natürlich dein Pferd behalten, aber Männer sind schwieriger zu leiten als Tiere, und du siehst mir nicht danach aus, als würdest du für schwere Arbeit taugen.«
    »Wir müssen hier raus!« sagte Ichabod zu Imbri im Traum. Der Mann wurde langsam immer nervöser.
    »Meinst du, euer König Tölpel würde ein vernünftiges Lösegeld für dich bezahlen?« fragte der Punier.
    »König Dor heißt der, nicht Tölpel«, brummte Ichabod. »Lösegeld ist ein mundanisches Konzept; er würde nicht zahlen.«
    »Dann werden wir dich wohl am besten dem Baal Hammon opfern, obwohl der eigentlich Säuglinge vorzieht. Aber selbst unsere Götter müssen während eines Feldzuges gewisse Abstriche an die Qualität der Rationen machen.«
    Ichabod versuchte zu fliehen, doch Varsoboes schnippte nur mit den Fingern, worauf mundanische Soldaten herbeigerannt kamen, Ichabod packten und ihn davonschleppten. Imbri wollte folgen, doch sie warfen Seile um sie und fesselten sie. Widerstand war zwecklos, denn die Mundanier strotzten nur so vor Waffen.
    Man brachte Imbri in ein Gehege und ließ sie dort. Glücklicherweise wußten die Mundanier nichts von ihrem wahren Wesen und merkten auch nicht, daß der Golem ein Lebewesen war.
    So blieben die beiden zusammen, doch Ichabod hatte man getrennt von ihnen eingesperrt.
    »Vielleicht können wir ihn heute nacht befreien«, projizierte Imbri.
    »Das will ich hoffen«, erwiderte Grundy. »Eigentlich ist er ein ganz anständiger Bursche, auch wenn er Mundanier ist. Aber dieser Mundanierhäuptling weiß auf jeden Fall mehr, als er zugibt. Er wußte bereits, daß König Trent ausgeschaltet wurde. Da ist eine ganz üble Verschwörung im Spiel, und zwar nicht nur die Nächstwelleneroberung!«
    Da trat ein Mann an das Gehege. »Aber das ist ja das Traumpferd!« rief er.
    Imbri sah ihn an – und das Herz rutschte ihr bis in die Hufe hinab. Es war der gefürchtete Reitersmann!
    »Oh, tu bloß nicht so, als würdest du mich nicht mehr erkennen, Mähre«, sagte der Reitersmann. »Ich weiß zwar nicht, wie du mir entkommen bist – na ja, ich weiß es eigentlich schon, aber ich verstehe nicht, wie du das Feuer löschen konntest. Wir haben dich wohl etwas unterschätzt. Aber das kommt bestimmt kein zweites Mal mehr vor.« Er grinste mit einem etwas bösartigen Zug um die Lippen. »Ich schlage dir ein Geschäft vor, Mähre. Du verrätst mir, wie du entkommen bist, und ich nehme dich dafür zu mir, was dir die Grausamkeit der Punier erspart. Sobald ich mein eigentliches Reittier, das Tagpferd, wiedergefunden habe, lasse ich dich dann wieder

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