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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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Land gehen. »Die Heilung kann nicht richtig einsetzen, solange er einen Pfeil im Leib hat!«
    Das war offensichtlich. In ihrer Aufregung hatten sie der Wunde selbst gar keine Aufmerksamkeit gewidmet. Doch nun standen sie vor einem großen Problem: Der Pfeil war nämlich mit Widerhaken versehen und ließ sich nur unter schrecklichen Schmerzen und weiteren Verletzungen aus dem Fleisch ziehen, die für den alten Mann trotz des Elixiers tödlich sein konnten. Die Magie hatte schließlich auch ihre Grenzen.
    Imbri versuchte es. Sie nahm den Pfeil zwischen die Zähne, entmaterialisierte sich und wich zurück. Der Pfeil verlor zusammen mit ihr an Stofflichkeit und ließ sich ohne Widerstände aus dem Leib des Gelehrten ziehen. Erfreut schleuderte sie ihn davon; sie hatte Ichabod überhaupt nicht weh getan!
    Nun begann die klaffende Wunde sichtbar zu heilen. Jetzt hieß es nur noch abwarten.
    Eine halbe Stunde später war Ichabod wieder gesund und munter. »Ich hoffe nur, daß ich das nicht noch einmal erleben muß!« sagte er. »Danke, schöne Maid, für deine zeitige Hilfe.«
    Die Sirene lächelte erfreut. Sie war schon in den mittleren Jahren und wußte es offenbar zu schätzen, wenn man sie mit ›Maid‹ anredete.
    »Sie ist keine Maid«, warf Grundy mit seinem wohlbekannten Taktgefühl ein, »sondern eine Sirene.«
    »Eine Sirene?« fragte Ichabod und wurde anscheinend immer interessierter. »Aber lockt sie denn auch Seeleute in ihr Unglück?«
    »Jetzt nicht mehr«, erwiderte die Sirene mit einem Stirnrunzeln. »Ein Zentaur hat meine magische Harfe zerschlagen, was mich meiner Macht beraubt hat.«
    »Oh.« Ichabod dachte nach. »Weißt du, wenn du deine Macht wieder besäßest, könntest du Xanth große Dienste erweisen. Du könntest die Mundanier anlocken…«
    »Ich möchte niemandem etwas zuleide tun, nicht einmal Mundaniern«, sagte sie. »Ich habe inzwischen Familie. Hier ist mein Sohn Cyrus.« Sie stellte ihnen einen kleinen Jungen vor, der schüchtern lächelte und dann wieder in den See zurücksprang. Noch im Sprung verwandelten sich seine Beine in einen Tritonschwanz.
    »Natürlich liebt niemand das Töten«, gab Ichabod zu. »Aber vielleicht könntest du die Mundanier auf irgendeine Insel locken, die sich mitten in einem mit Ungeheuern durchsetzten See befindet, so daß sie keinem mehr Schaden zufügen können.«
    »Ja, das wäre wohl in Ordnung«, meinte sie. »Ich könnte sie auch zu meiner Schwester der Gorgone locken, die sie in Stein verwandeln könnte. Solche Statuen lassen sich mit der richtigen Magie wiederbeleben. Man könnte sie aber auch wieder nach Mundania bringen, wo der Zauberbann sich von allein auflösen würde, was ja nicht dasselbe ist wie der Tod.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber ich fürchte, daß meine Kraft für immer verschwunden ist; denn nur der Gute Magier weiß, wie man mein Instrument wieder herstellen könnte, und der würde es mir nicht einmal dann verraten, wenn ich bereit wäre, ihm dafür einen Jahresdienst als Lohn abzuleisten. Insofern macht es auch eigentlich nichts mehr. Ich glaube, daß ich, wenn ich ehrlich bin, jetzt viel glücklicher bin als damals, als ich noch über diese Macht verfügte.« Doch sie wirkte nachdenklich, als sei sie sich der gewaltigen Fähigkeit schmerzlich bewußt, die sie verloren hatte.
    Ichabod spreizte die Finger. »Das weiß man nie so genau. Ich verstehe mich mit dem Guten Magier Humfrey ganz gut, denn ich habe ihm einige ausgezeichnete mundanische Forschungsbücher beschafft. Vielleicht kann ich das Thema bei ihm mal anschneiden. Ich glaube, du hast mir mit deiner Hilfe mindestens ein Jahr meines Lebens geschenkt. Jedenfalls weiß ich zu schätzen, was du für mich getan hast.« Er wandte sich zu Imbri um. »Und du und Grundy natürlich auch. Aber jetzt müssen wir Chamäleon wiederfinden.«
    Er hatte recht. Die Nacht verging viel zu schnell. Sie verabschiedeten sich von der Sirene und den freundlichen Meerleuten und machten sich in südwestlicher Richtung wieder auf den Weg. Mit Hilfe ihres Orientierungssinns spürte Imbri Chamäleon mühelos auf, und schon bald hatten sie die Frau und das Tagpferd erreicht.
    Chamäleon schlief in einem Kissenstrauch, während das Pferd daneben graste. Anscheinend hatten sie das Gelände erkundet und sich davon überzeugt, daß es ungefährlich war. Chamäleon schien trotz ihrer Dummheit einen Sinn für sichere Orte und Stellen zu haben.
    Als sie sich näherten, erwachte die Frau. »Oh, ich bin ja

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