Nacht-Mähre
was mich verraten hat, und ich werde dafür den Puniern nichts davon sagen.«
Wie sollte sie ihm vertrauen? Was sollte sie nur tun?
»Du traust mir nicht, das sehe ich«, fuhr der Mann fort. »Dazu hast du ja auch keinen Grund. Aber irgendwo muß das Vertrauen einfach anfangen, nicht wahr? Versuch’s einfach mal mit mir, und wenn ich dich hintergehen sollte, bist du auch nicht schlimmer dran als zuvor. Alles, was du eintauschst, sind Informationen, die jetzt auch nichts mehr ändern werden. Ich möchte lediglich aus einem Fehler lernen können. Ich versuche nämlich, niemals den gleichen Fehler zweimal zu begehen. Da ich nichts davon habe, wenn die Punier dich und deinen gelehrten Freund vernichten, setze ich auch nicht allzuviel aufs Spiel damit. Jeder von uns kann nur dabei verlieren, wenn wir nicht zusammenarbeiten, egal, was wir voneinander halten mögen. Ich sähe dich lieber frei und lebendig, so daß ich wenigstens die Hoffnung hegen kann, dich eines Tages in Zukunft auf faire Weise einzufangen. Meine Lehre gegen deine Freiheit, und keine weiteren Verpflichtungen. Ein faireres Angebot kann ich dir doch wohl kaum machen, nicht wahr?«
»Was soll ich tun?« fragte Imbri Grundy in einem kleinen Traum.
»Das ist schlimm«, erwiderte der Golem. »Dieser Bursche ist heimtückisch! Er versucht dein Vertrauen zu gewinnen. Das ist der erste Schritt auf dem Weg, dich gänzlich zu seinem Reitpferd zu machen, dich auf seine Seite zu ziehen und dich dazu zu bringen, Xanth zu verraten. Stell dir nur einmal vor, welchen Schaden er anrichten würde, wenn er mit dir nachts durch Wände reiten könnte!«
»Aber wenn er Varsoboes von mir erzählt, dann stecke ich in der Falle, und Ichabod wird Baal Hammon geopfert!«
»Das ist auch schlimm«, stimmte Grundy ihr zu. »Schätze, du wirst fürs erste mitspielen müssen. Aber trau ihm nicht! Vorsicht vor dem Reitersmann!«
Imbri beschloß, den Vorschlag anzunehmen. »Das Tagpferd hat mich befreit«, sendete sie dem Reitersmann zögernd. Sie haßte ihn dafür, daß er sie dazu gezwungen hatte, ihr Geheimnis zu verraten.
»Ha! Dann war der Hengst die ganze Zeit in der Nähe? Was hat er denn gemacht?«
»Er – hat das Feuer gelöscht.«
»Aber ein Pferd kann doch keinen Eimer Wasser holen. Er…« Der Reitersmann hielt inne, dann lachte er laut auf. »Nein! Das hat er doch wohl nicht getan!«
»Doch.«
»Das Tier ist wohl doch klüger, als ich dachte! Muß wohl die Gegenwart einer prächtigen Mähre gewesen sein, die ihn dazu angespornt hat. Gewöhnlichen Mähren hat er eigentlich nie besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Du bist also mit ihm davongelaufen – aber ihr habt euch anscheinend wieder getrennt. Wo ist er jetzt?«
»Das brauche ich dir nicht zu verraten!« sendete Imbri, zugleich zornig, daß der Reitersmann sie dazu gezwungen hatte, ein Geheimnis preiszugeben, und geschmeichelt, als sie seine Einschätzung der Meinung hörte, die der Hengst von ihr hatte. Jedes weibliche Wesen war entzückt von dem Gedanken, daß ein attraktiver Mann es anziehend fand. Auch wenn sie vielleicht gar nicht viel mit ihm zu tun haben wollte…
Der Reitersmann furchte die Stirn. »Nein, das brauchst du wohl nicht. Das gehörte diesmal nicht zu unserer Abmachung. Aber ich bin überzeugt davon, daß der Hengst solch ein Risiko nicht aus reiner Herzensgüte eingegangen ist, sondern weil er deinetwegen ganz außer Rand und Band war. Und das ist er jetzt wahrscheinlich noch viel mehr.«
Das wurde ja immer besser! Doch Imbri war so vorsichtig, sich nichts anmerken zu lassen.
»Wenn du also hier bist, dann ist er bestimmt auch nicht fern. Wahrscheinlich trefft ihr euch häufiger und reist sogar zusammen. Auf diese Weise belohnst du ihn dafür, daß er dir geholfen hat, und er bekommt die besten Weiden gezeigt und lernt, wie er in Xanth alleine überleben kann. Wahrscheinlich war es reiner Zufall, daß die Punier dich erwischt haben und nicht ihn.«
Der Mann war wirklich ungemütlich scharfsinnig! Imbri reagierte nicht.
»Na gut, du hast mir meine Frage beantwortet, vielleicht sogar vollständiger, als es in deiner Absicht lag, und ich glaube dir. Ich lasse dich jetzt in Frieden. Wir werden uns mit Sicherheit wiedersehen.« Der Reitersmann drehte sich um und schritt davon.
Imbri wagte kaum, sich zu entspannen. »Meinst du, daß er sein Versprechen hält?« fragte sie Grundy.
»Das werden wir sehen«, erwiderte der Golem. »Ich kann schon verstehen, daß du ihn fürchtest, der Mann ist
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