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Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)

Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angélique Mundt
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Kandidaten für die Oberstaatsanwaltschaft. Er war sich nicht zu schade, die Akten selbst auf die kleinsten Hinweise durchzugehen. Es war schon ein paarmal vorgekommen, dass er die Polizei auf entscheidende Details aufmerksam gemacht hatte, die zum Durchbruch eines Falles beigetragen hatten. Koster schätzte ihn deshalb sehr, hatte schon oft mit ihm zusammengearbeitet. Doch trotz dieser häufigen Treffen war es ihm nie gelungen, eine engere Beziehung zu ihm aufzubauen.
    »Hat die Rechtsmedizin schon mit der Obduktion begonnen?«, fragte Menzel statt einer Begrüßung und ohne von seiner Akte aufzusehen. Er schien nicht in bester Stimmung. Aus leidvoller Erfahrung wusste Koster, dass man sich ihm jetzt vorsichtig nähern sollte.
    »Nein, so schnell sind die nicht«, sagte er.
    »Hat die Presse Wind bekommen?«
    »Wir haben eine kurze Pressemeldung rausgegeben.«
    »Gut.« Menzel guckte das erste Mal hoch. »Wissen wir etwas über das Motiv des Suizids?«
    »Tja, ob es ein Suizid war, ist nicht sicher«, sagte Koster. »Sich zu erhängen ist zwar typisch, aber es gibt auch Unklarheiten.«
    »Die wären?« Menzel lehnte sich in seinem Stuhl zurück und runzelte die Stirn. Nun hatte Koster seine ganze Aufmerksamkeit.
    »Die Therapeutin sagt, dass die Patientin keine Suizidabsichten geäußert habe und in dieser Hinsicht unauffällig war. Wir haben keinen Abschiedsbrief gefunden, und warum sollte sie sich ausgerechnet in ihrem eigenen Zimmer erhängen? Warum ist sie nicht in den Keller gegangen? So musste ihre Bettnachbarin sie finden. Das war nicht sehr rücksichtsvoll.«
    »Vielleicht wollte sie nur sterben und nicht nett sein. Nicht jeder Selbstmörder schreibt einen Abschiedsbrief«, mischte sich Liebchen ein.
    »Es fehlt das Portemonnaie der Toten. Und dass das Tagebuch nicht aufzufinden ist, bleibt merkwürdig«, erwiderte Koster.
    »Haben Sie mit den Patienten gesprochen? Was wissen die?«, fragte Menzel nachdenklich und sah Koster direkt an.
    Koster kam sich plötzlich albern vor, dass er die Patientengespräche mied. »Nur mit der Bettnachbarin der Toten. Aber die wusste nichts.«
    »Sprechen Sie mit den anderen Patienten. Seien Sie ein bisschen menschlich, dann erfahren Sie sicher etwas.« Menzel überraschte ihn mit seiner Antwort. Dann wandte er sich wieder seinen Akten zu. »Ich informiere Sie, wenn der Obduktionsbefund eintrifft.«
    Mehr hatte er dazu offenbar nicht zu sagen.

ZWEITER TAG
    Tessa hatte schlecht geschlafen. Im Gegensatz zur nicht besonders erholsamen Nacht war dieser Aprilmorgen so strahlend schön, als wolle er ihren verzweifelten Vortag auslöschen. Sie überlegte, ob sie frühstücken oder lieber um die Alster joggen sollte. Die Sonne gab den Ausschlag. Während sie auf dem Alsterweg den Enten auswich, versuchte sie ihren Laufrhythmus zu finden und einen freien Kopf zu bekommen. Doch heute wollte es nicht gelingen. Ihre Gedanken drehten sich immer wieder im Kreis. Was hatte Isabell in den letzten Stunden und Minuten vor ihrem Tod gedacht? Wie hatte sie sich gefühlt? Tessa wusste, dass sie darauf niemals eine Antwort erhalten würde und ihre Phantasien sie nur quälten. Und doch konnte sie sich dem Sog aus Versagensgefühlen und Enttäuschung nicht entziehen. Sie konnte einfach nicht glauben, dass Isabell sich selbst erhängt hatte. Sie hatte doch mit ihr über Suizidgedanken gesprochen. Und sie waren sich einig gewesen, dass dieser Notausgang kein guter Weg war. Sie hatten sogar einen Notfallplan erstellt. An den hätte Isabell sich gehalten. Es konnte kein Suizid sein. Sah das denn niemand? Oder machte sie sich nur etwas vor, um sich weniger schuldig zu fühlen? Isabell hatte Tessa versprochen, sich nichts anzutun. Was war ihr Versprechen wert gewesen? War es naiv von ihr, einem Patienten zu trauen, der ihr das versprach? Die Zweifel nagten unaufhörlich. Es stimmte schon, was Mascha Kaléko einmal geschrieben hatte: Den eigenen Tod, den stirbt man nur – doch mit dem Tod der anderen muss man leben.
    Zurück in ihrer Wohnung reichte es gerade noch für eine Dusche. Sie hasste es, zu spät zu kommen. Also fiel das Frühstück aus. Wie so oft in letzter Zeit. Ihr Spiegelbild zeigte ihr heute Morgen ein trauriges und müdes Gesicht. Ihre braunen Augen wirkten im Licht der Badezimmerlampe fast bernsteinfarben. Dabei hatte sie schokoladenbraune Augen. Heute allerdings mit dicken Augenringen. Kein Wunder. Sie wusste zwar, dass andere sie durchaus als schön bezeichneten, aber heute sah sie im

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