Nacht ohne Ende
ganz offen aus einer silbernen Taschenflasche trank. »Sie haben vorhin die Möglichkeit erwähnt, dass Sabra Ihnen eine geheime Botschaft übermitteln wollte. Haben Sie irgendetwas gesehen oder gehört, was darauf schließen lässt?«
»Wie hätte ich das denn erkennen sollen? Schließlich habe ich das Band nur dieses eine Mal gesehen.«
Die Tatsache, dass der tyrannische Unternehmer unsicher und ausweichend in seinen Antworten war, war an sich schon aufschlussreich. De ndy war endlich mit der hässli chen Wahrheit konfrontiert worden: Es war der Umstand, dass er die ursprüngliche Zwangslage völlig falsch angepackt hatte, der Ronnie und Sabra dazu getrieben hatte, derart verzweifelte Maßnahmen zu ergreifen. Maßnahmen, die schrecklich schief gegangen waren.
»Spulen Sie das Band wieder zurück«, wies Calloway den Agenten am Steuerpult an. »Sehen wir uns die Aufnahmen noch einmal von vorn an. Falls irgendjemandem etwas auffällt, soll er sich melden.« Das Videoband begann von neuem.
»Tiel hat diese Stelle ausgesucht, damit wir die Leute hinter ihr sehen können«, bemerkte Gully.
»Das da ist die Kühlvitrine, bei der die Tür zu Bruch ging«, sagte einer der anderen Agenten und zeigte auf die entsprechende Stelle auf dem Bildschirm.
»Halten Sie den Film hier an.«
Calloway beugte sich vor, um sich das Bild genauer anzusehen, doch er konzentrierte sich dabei nicht auf die Journalistin, sondern auf die Leute hinter ihr. »Die Frau, die gegen den Tresen lehnt, muss die Kassiererin sein.«
»Das ist Donna, allerdings«, warf Sheriff Montez ein. »Diese Frisur ist einfach unverwechselbar.«
»Und das dort ist Agent Cain, richtig, Kip?« Calloway zeigte auf ein Paar Beine, die er nur von den Knien an abwärts sehen konnte.
»Richtig. Er sitzt mit dem Rücken zum Tresen.«
»Das silberne Isolierband hebt sich wirklich gut von seiner schwarzen Hose ab, nicht?«
Gullys spöttische kleine Randbemerkung blieb unkommentiert. Calloway betrachtete das ältere Ehepaar, das dicht nebeneinander auf dem Fußboden unweit von Cain saß. »Was ist mit den alten Leuten hier? Geht es ihnen gut?«
»Die sind quietschvergnügt, soweit ich das mitbekommen habe.«
»Wer sind die beiden anderen Männer?«
»Mexikaner. Ich hab gehört, wie der eine etwas auf Spanisch zu dem anderen sagte, aber er hat ziemlich leise gesprochen, und ich hätte es so oder so nicht verstanden.«
»Verdammt, das hat uns gerade noch gefehlt!« Calloway sprang so schnell von seinem Stuhl auf, dass er unter ihm wegrollte.
»Was ist?«
Die anderen Agenten reagierten augenblicklich auf die offenkundige Besorgnis ihres Vorgesetzten, indem sie die übrigen Insassen hastig beiseite schoben und sich um Calloway drängten. »Der hier.« Calloway tippte mit einem Finger auf den Bildschirm. »Sehen Sie sich diesen Mann hier genau an und sagen Sie mir, ob er Ihnen bekannt vorkommt. Können Sie ihn noch näher heranholen?«
Der Agent am Steuerpult nutzte die zur Verfügung stehende Technologie, um das Gesicht des Mexikaners zu isolieren. Er war auch in der Lage, das Bild zu vergrößern, was jedoch auf Kosten von Bildqualität und Schärfe ging. Die Agenten starrten konzentriert auf die körnige Aufnahme, dann riss einer von ihnen abrupt den Kopf herum und rief: »Oh, Scheiße ! «
»Was ist denn?«, verlangte Dendy zu wissen.
Davison trat einen Schritt vor. »Was ist los?«, fragte er alarmiert.
Calloway schob die beiden Männer brüsk zur Seite und erteilte seinen Untergebenen rasch einige Anweisungen. »Rufen Sie im Hauptquartier an. Mobilisieren Sie sämtliche zur Verfügung stehenden Leute. Leiten Sie eine Fahndung ein - Montez, Ihre Männer können mithelfen.«
»Sicher. Aber wobei denn?« Der Sheriff zuckte in einer hilflosen Geste die Achseln. »Tut mir Leid, aber ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Trommeln Sie alle Ihre Deputys zusammen. Benachrichtigen Sie auch die Sheriffs der angrenzenden Countys. Sagen Sie ihnen, sie sollen anfangen, nach einem verlassenen Laster Ausschau zu halten. Einem Eisenbahnwaggon. Einem Umzugswagen.«
»Laster? Umzugswagen? Was zum Teufel ist denn eigentlich los?« Dendy musste brüllen, um sich über die fieberhafte Aktivität und den Lärm hinweg verständlich zu machen, die Calloways elektrisierende Befehle in dem überfüllten Transporter erzeugt hatten. »Was ist mit meiner Tochter?«
»Sabra und die anderen sind in noch größerer Gefahr, als wir bisher gedacht haben.«
Wie um Calloways beunruhigende
Weitere Kostenlose Bücher