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Nacht ohne Ende

Nacht ohne Ende

Titel: Nacht ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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des Zorns gesprochen hatte? War Schuldbewusstsein ihre treibende Kraft?
    Sie versanken in Schweigen, während jeder von ihnen seinen eigenen beunruhigenden Gedanken nachhing und mit den persönlichen Dämonen rang, die anzuerkennen sie gezwungen worden waren.
    »Wo in New Mexico?«
    »Was?« Tiel wandte sich zu Doc um. »Ach so, Sie meinen mein Urlaubsziel? Angel Fire.«
    »Hab schon mal von dem Ort gehört. Bin aber noch nie da gewesen.«
    »Bergluft und klare Bäche. Espenwälder. Sie würden jetzt grün sein, nicht golden, aber ich habe gehört, dass es dort wunderschön ist.«
    »Gehört? Sie sind also auch noch nie dort gewesen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Eine Freundin hatte mir ihre Eigentumswohnung für diese Urlaubswoche zur Verfügung gestellt.«
    »Sie wären inzwischen dort angekommen, wenn alles nach Plan verlaufen wäre, und hätten sich einen gemütlichen Abend machen können. Was für ein Jammer, dass Sie Gully von unterwegs aus angerufen haben.«
    »Ich weiß nicht, Doc.« Sie blickte kurz zu Sabra hinüber, dann sah sie Doc wieder an. Betrachtete ihn eingehend. Um jede Nuance seines zerfurchten Gesichts in sich aufzunehmen. Um in die Tiefen seiner Augen einzutauchen. »Ich hätte das hier um nichts auf der Welt verpassen mögen.«
    Der Drang, ihn zu berühren, war fast unwiderstehlich. Sie widerstand zwar dem Bedürfnis, aber sie unterbrach nicht den Blickkontakt. Er dauerte lange, sehr lange, während ihr Herz hart und schwer gegen ihre Rippen hämmerte und alle ihre Sinne von dem süßen Bewusstsein seiner Nähe vibrierten.
    Sie zuckte erschrocken zusammen, als plötzlich das Telefon schrillte.
    Unbeholfen rappelte sie sich vom Boden auf, und Doc tat es ihr nach.
    Ronnie riss den Hörer von der Gabel. »Mr. Calloway?«
    Er hörte eine Zeit lang zu, die Tiel wie eine Ewigkeit vorkam. Wieder unterdrückte sie den Impuls, Doc zu berühren. Sie wollte seine Hand nehmen und sich daran festklammern, wie es Menschen gewöhnlich tun, wenn sie darauf warten, eine lebensverändernde Nachricht zu erfahren.
    Schließlich drehte sich Ronnie zu ihnen um und drückte die Hörmuschel an seine Brust. »Calloway sagt, er hat den Bezirksstaatsanwalt von Tarrant County, was immer das auch für ein Bezirk sein mag, plus einen Richter und beide Elternpaare dazu überredet, sich mit ihm zusammenzusetzen, um diese Sache auszuhandeln und eine Lösung zu finden. Er sagt, wenn ich mich der mir zur Last gelegten Straftaten schuldig bekenne und mich einer Therapie unterziehe, bekomme ich vielleicht Bewährung und muss nicht ins Gefängnis. Vielleicht.«
    Tiel wäre vor Erleichterung fast zusammengebrochen. Ein kleines Lachen stieg aus ihrer Kehle auf. »Das ist super, einfach super!«
    »Es ist wirklich ein guter Deal, Ronnie«, sagte Doc. »Ich an Ihrer Stelle würde ihn sofort annehmen.«
    »Sabra, ist das okay für dich? Bist du damit einverstanden?«
    Als Sabra keine Antwort gab, riss Doc Tiel beinahe von den Füßen, als er sich hastig an ihr vorbeidrängte und sich neben das Mädchen kniete. »Sie ist bewusstlos.«
    »O Gott!«, rief Ronnie mit erstickter Stimme. »Ist sie tot?«
    »Nein, aber sie braucht Hilfe. Und zwar schleunigst.«
    Tiel ließ Sabra in Docs Obhut und bewegte sich auf Ronnie zu. Sie hatte Angst, dass er in seiner Verzweiflung vielleicht noch die Pistole gegen sie selbst richten würde. »Sagen Sie Calloway, dass Sie mit seinen Bedingungen einverstanden sind. Ich werde jetzt ihre Fesseln durchschneiden«, fügte sie hinzu und wies dabei auf Cain, Juan und Nummer Zwei. »Okay?«
    Ronnie gab keine Antwort. Er war wie gelähmt vor Entsetzen über den Anblick, der sich ihm bot, als Doc Sabra auf seine Arme hob. Blut durchtränkte augenblicklich seine Kleider. »O Gott, o nein, was habe ich bloß getan?«, stöhnte Ronnie.
    »Sparen Sie sich Ihre Reue für später auf«, sagte Doc streng. »Sagen Sie Calloway, dass wir jetzt rauskommen.«
    Der benommene junge Mann gehorchte und begann, in die Sprechmuschel zu murmeln. Tiel holte rasch die Schere, die sie vorhin benutzt hatten, und kniete sich neben Cain. Sie säbelte das Isolierband um seine Fußgelenke durch. »Was ist mit meinen Händen?« Er sprach mit schwerer Zunge. Der Agent hatte offenbar eine Gehirnerschütterung erlitten.
    »Erst wenn Sie draußen sind.« Tiel traute ihm noch immer nicht. Sie befürchtete, dass er selbst jetzt noch versuchen würde, den Helden zu spielen.
    Cains Augen verengten sich zu Schlitzen. »Sie stecken ganz schön in

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