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Nacht ohne Ende

Nacht ohne Ende

Titel: Nacht ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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scharf an, ihr Ausdruck fragend.
    Doc hob die Schultern in einem leichten Achselzucken. »Ich habe Sie bemerkt, als Sie da drüben am Telefon gestanden haben.«
    »Tatsächlich? Oh.« Ihre Blicke trafen sich und verschmolzen miteinander, und es kostete Tiel große Anstrengung, diesen intensiven Blickkontakt abzubrechen. »Jedenfalls, ich habe meinen Anruf gemacht und wollte gerade ein paar Snacks für unterwegs kaufen, als... als doch tatsächlich keine Geringeren als Ronnie und Sabra hereinkamen.«
    »Das allein ist schon eine heiße Story.«
    »Ich konnte mein Glück kaum fassen.« Sie lächelte gequält. »Man sollte vorsichtig sein mit dem, was man sich wünscht.«
    »Das bin ich.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Jetzt.«
    Diesmal war sie diejenige, die schweigend darauf wartete, dass er weitersprach, um ihm Gelegenheit zu geben, seinen Gedanken entweder weiter auszuführen oder das Thema fallen zu lassen. Er schien sich durch ihr Schweigen ebenso unter Druck gesetzt zu fühlen, wie es ihr zuvor bei ihm ergangen war, denn er ließ seine Schultern kreisen, als ob seine niederdrückenden Gedanken darauf lasteten.
    »Nachdem ich von Sharis Affäre erfahren hatte, wollte ich, dass sie...« Er zögerte und begann dann erneut. »Ich war so stinkwütend, dass ich wollte, dass sie...«
    »Leidet.«
    »Ja.«
    Der lange Seufzer, den er bei diesem Wort ausstieß, bekundete seine Erleichterung darüber, dass er dieses Geständnis endlich losgeworden war. Vertrauliche Mitteilungen fielen einem Mann wie ihm, der tagtäglich mit Kämpfen auf Leben und Tod zu tun gehabt hatte, sicher nicht leicht. Die Tatsache, dass Bradley Stanwick den Mut und die Hartnäckigkeit besessen hatte, gegen einen solch scheinbar übermächtigen Feind wie den Krebs zu kämpfen, ließ darauf schließen, dass zu seiner charakterlichen Veranlagung sicherlich eine gehörige Portion des Halbgott-Komplexes gehörte. Verwundbarkeit, jedes Zeichen von Schwäche, war mit diesem Wesenszug unvereinbar.
    Tiel fühlte sich geschmeichelt, dass er ihr eine Schwäche eingestanden hatte, ihr einen flüchtigen Blick auf diese nur allzu menschliche Seite seines Selbst enthüllt hatte. Sie nahm an, dass traumatische Situationen auch dafür gut waren. Ähnlich wie bei einem Geständnis auf dem Sterbebett dachte er vielleicht, dass dies die letzte Chance war, die er haben würde, um sein Herz auszuschütten und sich von den niederdrückenden Schuldgefühlen wegen der tödlichen Krankheit seiner Ehefrau zu befreien, die er jahrelang mit sich herumgeschleppt hatte.
    »Die Krebserkrankung Ihrer Frau war keine Strafe für ihre Untreue«, sagte Tiel sanft. »Und sie war auch ganz sicherlich nicht Ihre Rache.«
    »Ich weiß. Vom Verstand und von der Logik her weiß ich das natürlich. Aber als Shari das Schlimmste durchmachte - und glauben Sie mir, es war die reine, unverfälschte Hölle -, habe ich das irgendwie gedacht. Ich dachte, dass ich ihr die Krankheit unbewusst angehängt hätte.«
    »Und deshalb bestrafen Sie sich jetzt mit dieser selbst auferlegten Verbannung von Ihrem Beruf.«
    Er feuerte sofort zurück: »Und Sie tun das nicht?«
    »Was?«
    »Sich bestrafen, weil Ihr Mann getötet wurde. Sie schuften für zwei, um Wiedergutmachung für den schweren Verlust zu leisten, der durch seinen Tod entstand.«
    »Das ist doch lächerlich!«, erwiderte Tiel aufgebracht.
    »Ach ja?«
    »Ja. Ich arbeite so hart, weil mir mein J ob Spaß macht.«
    »Aber Sie werden nie genug tun können, nicht?«
    Eine wütende Entgegnung erstarb auf ihren Lippen. Sie hatte nie die psychologischen Hintergründe hinter ihrem Ehrgeiz untersucht. Oder, genauer gesagt, sie hatte sich nie erlaubt, sie zu untersuchen. Aber nun, da sie mit dieser Hypothese konfrontiert worden war, musste sie zugeben, dass da etwas dran war. Der Ehrgeiz war schon immer da gewesen. Sie war mit einer Typ-A-Persönlichkeit geboren worden, war immer ein leistungsorientierter Mensch gewesen, jemand, der mehr leistete als erwartet.
    Aber nicht in dem ausgeprägten Maße wie in den letzten Jahren. Sie verfolgte ihre Ziele wie besessen und konnte spürbare Fehlschläge nur sehr schwer verkraften. Sie arbeitete ausschließlich. Es ging nicht darum, dass ihr Beruf Vorrang vor allen anderen Bereichen ihres Lebens hatte: Er war ihr Leben. War ihr arbeitswütiges, an Besessenheit grenzendes Streben nach Erfolg eine selbst auferlegte Bestrafung für jene wenigen unglücklich gewählten Worte, die sie damals in der Hitze

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