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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Truscott ist auch hier? Wie geht es ihr?«
      Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Sie kommt schon wieder auf die Beine, Stacey. Tasca ist Spezialist für Gehirnchirurgie, der beste in ganz Sizilien. Er hat ein tragbares Röntgengerät mitgebracht und sie gründlich untersucht. Sie hat Glück gehabt, keine Schädelfraktur. Wahrscheinlich wird sie für den Rest ihres Lebens eine böse Narbe zurückbehalten, aber das kann ein guter Friseur reparieren.«
      »Wäre nicht ein Krankenhaus richtiger gewesen?«
      Er schüttelte den Kopf. »Nicht nötig. Dort hätte sie keine bessere Behandlung bekommen, und außerdem ist sie hier sicherer.«
      Ich versuchte mich aufzusetzen und hatte ein leeres Gefühl im Magen. »Hoffer weiß es also?«
      Er schob mich sanft wieder in die Kissen zurück. »Er weiß nur, daß seine Stieftochter tot ist. Natürlich nicht offiziell, damit es alle Welt erfährt, aber er hat schon mit mir telefoniert.«
      »Und du hast es ihm gesagt?«
      Er schüttelte den Kopf. »Er hat für heute abend um eine Hauptversammlung ersucht. In einer halben Stunde wird er hier sein.«
      »Das verstehe ich nicht«, sagte ich. »Was für eine Hauptversammlung?«
      »Stacey, hast du etwa geglaubt, ich allein bin die Mafia?« Er lachte. »Natürlich bin ich der Capo – der Capo für ganz Sizilien –, aber alle großen Entscheidungen werden von der Hauptversammlung getroffen. Wir haben unsere Regeln, und die müssen befolgt werden. Nicht einmal ich darf sie brechen.« Er zuckte die Achseln. »Ohne die Regeln sind wir nichts.«
      »Die ehrenwerte Gesellschaft!« Ich schüttelte den Kopf. »Nun gut, vielleicht kann ich noch nicht ganz klar denken, aber ich begreife immer noch nicht, was Hoffer hier soll.«
      »Zuerst erzählst du mir, was in den Bergen geschehen ist. Dann sehen wir weiter.«
      »Soll das etwa heißen, daß du es noch nicht weißt?«
      »Nur einiges. Sei ein braver Junge und tu, was ich dir sage.«
      Also erstattete ich ihm einen ausführlichen Bericht und ging auch auf die verschiedenen Verdachtsmomente ein, die ich von Anfang an hatte. Er nahm alles unbewegt auf, selbst meine absichtlich drastische Schilderung von dem Massenmord.
      Als ich fertig war, saß er eine ganze Weile schweigend da. »Warum bist du gegangen, Stacey? Das ist es, was ich nicht verstehe. Du hast doch gewußt, daß dieser Burke dir gegenüber nicht aufrichtig war, du hast Hoffer mißtraut, du hast gewußt, daß nicht einmal ich dir die ganze Wahrheit sage – und trotzdem bist du gegangen.«
      »Das weiß der Himmel«, sagte ich. Wenn ich jetzt daran zurückdachte, konnte ich es mir selbst nicht mehr erklären. »Vielleicht ist es eine Art Todessehnsucht.«
      Das waren zwar meine eigenen Worte, aber als ich sie aussprach, lehnte sich alles in mir dagegen auf.
      »Nein, zum Teufel, es war Burke, immer wieder Burke. Etwas zwischen uns beiden, was ich nicht in Worte fassen kann, nicht einmal für mich selbst. Ich mußte es mir einfach beweisen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
      »Ich glaube, du haßt diesen Mann, wie?«
      Ich dachte eine Weile darüber nach, dann sagte ich langsam: »Nein, es ist mehr als Haß, viel mehr. Er hat mich in eine dunkle Welt mitgenommen, die er sich selbst geschaffen hat. Hat mich zu etwas gemacht, was ich nicht bin. Mich zu seinen Zwecken geformt. Oben am Berg hat er mir erzählt, er sei ein kranker Mann, womit er wohl sein Benehmen erklären wollte. Ich glaube, er hat damit nach einer Entschuldigung für sein Verhalten gesucht, aber er lügt sogar sich selbst an. Er war schon auf dem absteigenden Ast, lange bevor seine Lungen zu verrotten begannen. Er braucht gar keine Ausreden.«
      »Ich glaube, jetzt dämmert's mir allmählich«, sagte er. »Du haßt ihn, weil er anders ist, als du gedacht hast.«
      Natürlich hatte er recht, aber nicht ganz. »Das könnte der Sache nahekommen. Als ich ihn kennenlernte, kam er mir vor wie der einzige Anhaltspunkt in einer Welt, die verrückt geworden war. Ich habe ihm voll und ganz vertraut.«
      »Und später? Was ist später geschehen?«
      »Nichts.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich war es, der sich geändert hat, nicht er. Er war immer derselbe wie heute, das ist ja gerade das Schreckliche. Der Sean Burke, den ich in Lourengo Marques und danach zu kennen glaubte, hat nie wirklich existiert.«
      Die Stille hüllte uns ein. Ich lag da und dachte darüber nach. Endlich sah ich wieder

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