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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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und weißem Kittel.
      Ich weiß nur noch, daß sich Marco irgendwo im Hintergrund aufhielt, aber hauptsächlich beschäftigte ich mich mit meinem Freund mit dem grauen Bart und der goldgeränderten Brille. Es war überraschend, wie seriös ein Arzt aussehen konnte – selbst ein Mafia-Arzt.
      Ich erinnere mich auch noch, daß Joanna auf der anderen Seite lag, daß sich der Mann über sie beugte, und dann ragte der Graubart wieder groß vor mir auf. Die Innenbeleuchtung spiegelte sich in seiner Brille und in der Injektionsspritze, die er in der Hand hielt.
      Ich wollte abwehren, den Arm heben, aber nichts schien mehr zu funktionieren. Dann hüllte mich die Dunkelheit wieder ein – allmählich wurde sie mir zu einer guten alten Freundin.

    15

    Lange, weiße Vorhänge blähten sich im leichten Wind und standen wie Gespenster in der kühlen Dunkelheit des Zimmers. Die Wiedergeburt ist immer schmerzhaft, aber meine Rückkehr ins Leben wurde mir durch einen der schönsten Abende, die ich je erlebt habe, erleichtert.
      Ich konnte wieder klar denken, war ruhig und entspannt und spürte keinerlei Schmerzen, bis ich mich bewegte und damit ein kleines Feuer in meiner rechten Schulter entflammte. Am Ende meines Bettes saß eine Krankenschwester und las beim Licht einer Tischlampe in einem Buch. Als ich mich bewegte, drehte sie sich um, und die gestärkte weiße Haube leuchtete wie der Heiligenschein um das Gesicht einer Madonna.
      Dann beugte sie sich vor, legte mir die Hand auf die Stirn – eine Hand, die kühler war als alles, was ich je gefühlt habe.
      Sie ging und schloß die Tür leise hinter sich. Gleich darauf ging die Tür wieder auf, und der Graubart trat ein.
      »Wie geht es Ihnen?« fragte er auf italienisch.
      »Ich lebe wieder. Ein wirklich angenehmes Gefühl. Wo bin ich eigentlich?«
      »In der Villa Barbaccia.«
      Er schaltete die Nachttischlampe ein und fühlte bedächtig und ernst nach meinem Puls. Dann zog er das unvermeidliche Stethoskop hervor und tastete damit eine Weile auf meiner Brust herum.
      Natürlich nickte er zufrieden und schob es wieder in die Tasche.
      »Und Ihre Schulter – schmerzt die?«
      »Ein bißchen, wenn ich mich bewege.«
      Hinter dem Arzt öffnete sich die Tür. Ich fühlte seine Gegenwart schon, bevor ich das unverwechselbare Aroma seiner Havanna roch. Dann trat er ins Licht, das Gesicht dunkel und grüblerisch wie immer, ruhig und gelassen – ein ins Leben
    zurückgekehrter Cesare Borgia, ewig und unverwüstlich.
    »Glaubst du, daß du jemals sterben wirst?«
      Er lächelte, als sei er meinem Gedankengang gefolgt. »Mein Enkel bleibt uns also erhalten, nicht wahr, Tasca?«
      »Das Loch in der Schulter übersteht er natürlich. Aber es wird eine Menge Arbeit kosten, damit der Arm nicht steif wird.« Doktor Tasca sah mich mit mildem Vorwurf an. »Sie hätten den Arm nicht benutzen sollen, junger Mann. Das macht es uns schwerer.«
      Ich ersparte mir jede Erwiderung. Er wandte sich an meinen Großvater. »Sorgen macht mir sein Allgemeinzustand. Physisch gesehen, balanciert er am Rand eines Abgrunds entlang. Ein kleiner Stoß, und er liegt unten.«
      »Hast du das gehört?« Fast hätte mich mein Großvater mit dem Spazierstock angestoßen. »Willst jung sterben, wie?«
      »Hast du nicht ein besseres Angebot?«
      Das sollte fröhlich und salopp klingen, aber es schien Tasca nicht zu gefallen. »Wie ich gehört habe, waren Sie im Gefängnis.«
      Ich nickte. »Sozusagen – in einem ägyptischen Arbeits lager.«
      »Zwangsarbeit?« Zum erstenmal sah ich so etwas wie Besorgnis auf seinem Gesicht. »Jetzt wissen wir's.« Wieder wandte er sich an Großvater. »Sobald er wieder auf den Beinen ist, muß er zu einer gründlichen Untersuchung zu mir kommen, Capo. Es könnte sein, daß er Tuberkelbazillen aufgeschnappt hat, und es gibt eindeutige Anzeichen für ein nicht ganz überwundenes Schwarzfieber, das zu einer Schädigung der Nieren führen könnte. Er braucht nicht nur ärztliche Behand lung, sondern auch sorgfältige Pflege und Ruhe – mehrere Monate absolute Ruhe.«
      »Besten Dank, Doktor«, sagte ich ironisch. »Das klingt ja großartig.«
      Tasca sah mich leicht verwundert an, aber Großvater entließ ihn. »Gehen Sie wieder zu dem Mädchen. Ich habe unter vier Augen mit meinem Enkel zu sprechen.«
      Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich erst in diesem Augenblick bewußt an sie dachte. »Joanna

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