Nacht ohne Erbarmen
entgegen, und sein Gesicht war von Schmerz geprägt. »Stacey« stammelte er. »Was – was soll ich dazu sagen? Ich habe dir das angetan?«
»Lassen wir's«, sagte ich. »Die Sache ist so verdammt komisch, daß ich sie nicht tragisch nehmen kann. Und jetzt würde ich gern die spannende Fortsetzung hören.«
Er sank wieder auf seinen Stuhl und wirkte immer noch sehr erschüttert. »Nun gut. Wir mußten Hoffer eine Chance zur Wiederbeschaffung der Summen geben, damit die Mafia keinen Schaden erlitt. Zu diesem Zweck trat die Hauptver sammlung zusammen. Er legte ein ehrliches Geständnis ab, drehte die Sache aber so hin, daß seine Geschäfte eigentlich der Mafia zugute kommen sollten. Es hat ihm nichts genützt. Selbst wenn das wahr gewesen wäre, so hatte ihn die Haupt versammlung nicht dazu beauftragt. Er gestand seine Schuld ein und bat um eine Frist, das Geld zusammenzubringen.«
»Und die Frist wurde ihm gewährt?«
»Es gab keinen Grund für eine Ablehnung. Er erklärte vor der Hauptversammlung, daß ihm nach dem Testament seiner verstorbenen Frau erhebliche Beteiligungen in Amerika zuständen. Diese Anteile könne er innerhalb von zwei bis drei Monaten zu Geld machen und damit den entstandenen Schaden mehr als ausgleichen.«
»Die Hauptversammlung hat ihm geglaubt?«
»Warum sollte er lügen? Wenn er das Geld nicht herbei
schaffte, war er ohnehin erledigt, wohin er sich auch wenden mochte.«
»Aber du hast gewußt, daß er lügt?«
Er nickte gelassen. »Die wahre Dummheit dieses Hoffer sieht man schon an der Tatsache, daß er sich nicht damit abfinden kann, daß ein alter sizilianischer Bauer klüger ist als er. Ich war ihm stets einen Schritt voraus. Ich hatte eine Fotokopie des Testaments seiner Frau in der Hand, noch bevor er selbst etwas über die Bedingungen erfuhr.«
»Und warum hast du es nicht der Hauptversammlung mitgeteilt?«
»Weil mich die Sache interessierte. Ich wollte abwarten, was
er machen würde.«
»Und ihm wieder wie üblich einen Schritt voraus sein? Du hast gewußt, daß er sein Problem dadurch lösen wollte, daß er seine Stieftochter beseitigte, bevor sie volljährig wurde?«
»Sagen wir einmal, daß mir dies als plausibler Ausweg erschien, nachdem ich erst einmal das Testament gelesen hatte. Später bekam ich Wind von dem Geschäft mit Serafino und erfuhr, daß es schiefgelaufen war.«
»Und dann bin ich auf getaucht, und du hast den Rest erfahren.« Ich wurde wieder wütend. »Wenn du gewußt hast, daß dieses Mädchen sich bei Serafino aufhält, weil sie Hoffer bis zu ihrem Geburtstag aus dem Weg gehen wollte, dann mußt du auch gewußt haben, daß ich angelogen worden bin, was den Zweck unseres kleinen Ausflugs in die Berge betraf. Dafür gab es nur einen einzigen möglichen Grund: sie zu beseitigen.« Ich hatte ein wenig die Stimme erhoben. »Was, zum Teufel, hast du dir eigentlich vorgestellt, was passieren sollte, wenn ich hinkam und das herausfand? Oder hast du geglaubt, daß ich dich anlüge? Hast du es für möglich gehalten, daß ich zu einem Mörder junger Mädchen geworden bin?«
»Sei doch nicht so albern, Stacey«, sagte er kalt. »Du bist mein Fleisch und Blut, ich kenne dich genau. Solche Handlungen überlassen wir den Hoffers und Burkes dieser Welt. Männern ohne Ehre.«
»Ehre!« Ich mußte laut lachen. »War dir denn nicht klar, daß Burke mich dann töten mußte, weil er wußte, daß ich niemals zusehen würde, wie sie das Mädchen ermordeten? Daß du mich durch dein Schweigen in den Tod schicken würdest.«
»Aber verstehst du denn nicht, daß ich keine andere Wahl hatte?« sagte er geduldig. »Jetzt hör mir einmal genau zu, Stacey. Die Hauptversammlung hat Hoffer eine Frist einge räumt, um das Mafia-Geld wiederzubeschaffen. Wie er das machte, ging uns nichts an.
Die anderen erwarteten zum vorherbestimmten Zeitpunkt das Bargeld – oder es kostete ihn seinen Kopf. Eine andere Mög lichkeit gab es nicht. Aber wenn erst einmal einem Mitglied eine Frist eingeräumt worden ist, dann hat er ein Recht darauf, seine Maßnahmen ohne Einmischung von Seiten der Gesell schaft durchzuführen. Wenn ich dich darauf hingewiesen hätte, daß er das Mädchen ermorden lassen wollte, wenn ich dich gebeten hätte, das zu verhindern, dann wäre ich schuldig geworden – ich hätte eines der ältesten Gesetze der Mafia gebrochen.«
»Und das hätte schließlich auch für Vito Barbaccia den Tod
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