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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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sah ich die dunkle, traurige Frau – seine Frau –, die sich erschrokken am Bett umdrehte.
      Die sehr ehrenwerte Joanna Truscott lag regungslos da, das Gesicht hatte die Farbe von Wachs, und an ihrem Kopf prangte ein frischer, sauberer Verband, ähnlich dem meinen.
      Ich wandte mich an Marco. »Und was passiert nun?«
      »Es geht ihr nicht gut, Stacey. Ich habe mit dem Capo telefoniert. Der nächste Arzt wohnt zwei Stunden entfernt, aber er ist schon unterwegs hierher.«
      »Sie darf nicht sterben«, sagte ich. »Verstehst du das?«
      »Klar verstehe ich das, Stacey.« Er tätschelte meinen linken Arm.
      »Aus Palermo ist ein privater Krankenwagen unterwegs. Mit zwei der besten Ärzte, die Sizilien aufzuweisen hat. Sie wird schon durchkommen. Ich habe selbst nach ihr gesehen. Die Wunde sieht häßlich aus, aber sie ist nicht lebensgefährlich. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
      »Nur Hoffer glaubt, daß sie wirklich tot ist«, sagte ich. »Für ihn ist es wichtig, daß sie stirbt.« Ich sah ihn an und nickte bedächtig. »Aber das weißt du doch, nicht wahr? Du weißt doch alles.«
      Er wußte nicht, was er sagen sollte, und lächelte mich ermutigend an. »Denk nicht an Hoffer, Stacey. Der Capo wird sich mit ihm beschäftigen. Es ist alles vorbereitet.«
      »Seit wann?« fragte ich. »Seit einer Woche, einem Monat? Ich war nur ein Werkzeug für ihn, nicht wahr, Marco? Er hat sich meiner bedient, so wie er dich und alle anderen ausnutzt. Stimmt's?« Ich merkte, daß ich immer noch den Revolver in der linken Hand hielt und schob ihn ins Halfter. »Aber jetzt nicht mehr. Mit Hoffer und Burke rechne ich persönlich ab.«
      Ich drehte mich um und sah das Mädchen an. Wenn sie noch nicht tot war, so würde sie doch wohl bald sterben. Zumindest sah es so aus.
      »Wir gehen jetzt«, sagte ich zu Marco. »Wir nehmen den Alfa und fahren ihnen entgegen.«
      Er runzelte die Stirn. »Nein, Stacey, wir warten lieber. Die Fahrt ist nach dem Regen nicht gerade angenehm. Die meisten Gebirgsstraßen werden ausgewaschen sein.«
      »Er hat recht«, warf Gerda ein. »Wenn der Regen nicht bald aufhört, wird es überhaupt keine Straßen mehr geben.«
      »In diesem Fall kommt die Ambulanz niemals bis hier herauf«, erklärte ich geduldig.
      Gerda machte ein finsteres Gesicht und sah Marco fragend an. Der zuckte hilflos die Achseln. »Vielleicht hat er recht.«
      Danach ging alles andere furchtbar schnell. Sie wickelten Joanna in Decken und trugen sie zu dem Alfa in den Hof hinaus, stopften den Zwischenraum zwischen den Vorder- und Rücksitzen mit weiteren Decken aus und legten sie behutsam darauf. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz, und Gerda beugte sich herein, um meinen Sicherheitsgurt zu befestigen.
      »Grüßen Sie den Capo von mir«, bat er. »Sagen Sie ihm, ich habe alles genau so gemacht, wie er es mir befohlen hat.«
      »Klar«, antwortete ich.

    Ich hatte recht, was die Gebirgsstraßen und den heftigen Regen betraf. Wenn ich sage, daß sie sich hinter unseren Rädern in Nichts auflösen, so klingt das vielleicht etwas übertrieben, aber es ist von der Wahrheit nicht weit entfernt.
      Ich glaube nicht, daß wir auf dem Weg hinunter mehr als dreißig Kilometer in der Stunde schafften. Wenn er schneller gefahren wäre, so wären wir an manchen Stellen über den Rand hinausgeschossen, und ein Alfa ist schließlich kein Flugzeug.
      Ich machte mir jedoch keine Sorgen. Alles was geschah, war irgendwo unvermeidlich. Die Sizilianer sind ein altes Volk, und ich war jetzt beinahe ein richtiger Sizilianer. Eine eigentümliche Vorahnung sagte mir, daß das Spiel noch weiterlief und daß der Höhepunkt noch kommen werde. Er war unvermeidlich, man konnte ihm nicht ausweichen. Ich nicht und Burke auch nicht.
      Natürlich war es auch ein tröstlicher Gedanke, daß Marco am Steuer eines Wagens meines Großvaters und seiner Geschäftsfreunde einmal bei einem großen Autorennen den dritten Platz eingenommen hatte.
      Ich schloß die Augen und schlief ein. Als ich sie wieder aufmachte, parkten wir am Rand der Hauptstraße jenseits von Vicari, wie ich später herausfand. Mir fehlten zwei Stunden in meiner Erinnerung.
      Sie luden bereits Joanna Truscott mitsamt einer Bahre hinten in den Krankenwagen. Ich wollte aufstehen, stellte aber fest, daß meine Beine mir den Dienst versagten, und dann ging die Tür auf und ich taumelte haltlos in die Arme eines Mannes mit grauem Bart

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