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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen
Autoren: Jack Higgins
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es sich jetzt selbst nicht mehr eingestehen wollte.
      Andererseits hatte ich bestimmt ihm gegenüber einmal meinen Großvater erwähnt, einen Namen, der ihm seinerzeit sicherlich nichts sagte, bis er Hoffer kennenlernte.
      Also hatte er sich wieder einmal meiner bedient. Der Witz war nur, daß ich es diesmal selbst war, der seinen Plan durch kreuzte. Aber nun verstand ich auch, warum er den Jungen mit der Lupara so blitzschnell erschossen hatte. Er mußte ihn unter allen Umständen mundtot machen.
      Ich ließ mich aufs Knie fallen. Er schüttelte den Kopf.
      »Reine Zeitverschwendung. Ich hab' mitgezählt. Einen im Garten, einen auf der Treppe, drei für Pete. Das macht fünf. Mehr hast du in diesem Ding nicht drin – es sei denn, du hättest es auf dem Weg hier herauf nachgeladen.«
      Es war ein wahnwitziges Spiel, in dem jeder von uns bei seiner Rolle bleiben mußte.
      Ich schüttelte den Kopf und steckte die Waffe ein. »Nein, du hast recht. Er ist leer.«
      »Das war's dann, Stacey«, sagte er. »Es war für uns ein weiter Weg seit dem ›Licht von Lissabon‹.«
    Ich hob die Lupara auf. »Weißt du, was das hier ist?«
      »Klar. Hoffer hat's mir gezeigt. Die Lieblingswaffe der Mafia. Das traditionelle Werkzeug für die Vendetta. Aber auf eine größere Entfernung als zwei Schritte taugt das Ding nicht viel. Du mußt näher rankommen, Stacey!«
      »Ich werde näher herankommen«, sagte ich, stand auf und zog den Hahn mit dem Daumen zurück. »Wenn ich nicht hinter dir stand, warst du nie auch nur einen Pfifferling wert. Mal sehen, wie gut du bist, wenn du mal auf dich allein gestellt bist.«
      Er hatte natürlich recht. Eine abgesägte Schrotflinte hat eine so starke Streuung, daß ich nicht die leiseste Hoffnung hatte, ihm auf eine Entfernung von zwanzig Schritten das geringste anhaben zu können.
      Ich sah dem Tod ins Auge und setzte mich m Bewegung. Hinter mir schrie Rosa laut auf. Ich hörte irgendwo einen Automotor, dann noch einen, dann Türenschlagen, Stimmen in der Nacht. Die Mafia kam zu spät.
      Dann gab es nur noch den Regen und Burke, der mit unbewegter Miene am Ende des dunklen Daches vor mir stand. Jede Falte grub sich tief in sein Gesicht ein, und sein Blick bohrte sich in meinen. Wir waren beide in einem Augenblick der Zeitlosigkeit gefangen.
      Aber dann geschah etwas Seltsames. Der Browning schwankte. Er tat einen Schritt zurück, dann noch einen. Ich weiß auch nicht, woran es lag. Vielleicht mein erbarmungs loses Näherrücken, meine scheinbare Verachtung dem Tod gegenüber, mein Gesichtsausdruck. Jedenfalls brach er zusammen. Er konnte einfach nicht mehr.
      »Bleib mir vom Leib! Weg da!«
      Er machte drei rasche Schritte nach rückwärts, stolperte gegen die niedrige Brüstung und kippte mit einem Ver zweiflungsschrei darüber.
      Ich stand leicht schwankend da. Dann ließ ich die Lupara
    fallen.
      Rosa stand vor mir, umarmte mich, weinte an meiner Schulter. Ich streichelte ihr gedankenverloren übers Haar. Dann trat ich an die niedrige Mauer und schaute zu ihm hinunter. Er lag zerschmettert zwanzig Meter tiefer auf den Stufen der Treppe.
      Als ich mich endlich umdrehte, erblickte ich meinen Großvater, Marco und drei Männer mit finsteren Gesichtern. Sie hielten Maschinenpistolen in den Fäusten, und man sah ihnen an, daß sie damit gut umzugehen verstanden.
      »Ihr kommt zu spät«, sagte ich. »Es ist alles vorüber.«
      Barbaccia kam auf mich zu. »Alles in Ordnung?«
      »Mir geht es prächtig. Nur Burke und sein kleiner Freund sind tot, und zwei von Hoffers Gaunern hab' ich ein bißchen angekratzt. Was werde ich dafür wohl kriegen? Zehn Jahre? Fünfzehn? Rom mag solche Zwischenfälle nicht mehr, wie ich gehört habe. Sie sind schlecht für den Fremdenverkehr.«
      Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Stacey, hör mir zu. Das alles ist eine Kleinigkeit. Burke und sein Freund werden so tief unter der Erde verschwinden, daß keiner sie jemals wiederfinden kann. Mit den anderen werde ich reden. Ich bringe alles in Ordnung. Sie werden es sich überlegen, ob sie der Mafia in die Quere kommen wollen.«
      »Sehr gut«, sagte ich. »Das ist sogar ganz ausgezeichnet. Um die Wahrheit zu sagen, hab' ich für den Rest meines Lebens genug von Gefängnissen. Ich hab' etwas anderes vor. Morgen werde ich mit der erstbesten Maschine Sizilien verlassen.«
      Er war wie vor den Kopf geschlagen und streckte unsicher die Hand aus.
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