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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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zu Ende bringen, sie ist ganz dicht dran. Warum ruft Manni nicht zurück?
    Das Wohnzimmer liegt im Halbdunkel, wenn sie allein ist, verzichtet Marlene Nolden offenbar darauf, die Kunstwerke an den Wänden mit Halogenspots anzustrahlen. Judith lässt sich in einen Sessel dirigieren, hält Marlene Nolden den Zeitungsartikel über die Aids-Gala hin, die Spur, die sie endlich gefunden hat, das eine kleine Zeichen. »Bankboss knackt Türschlösser wie ein Profi.«
    Marlene Nolden nickt desinteressiert. »Mein Mann hat das im Betrieb seiner früheren Schwiegereltern gelernt.«
    Judith betrachtet sie. Den blassgrünen Seidenanzug, perfekt abgestimmt auf die Farbe von Marlene Noldens Augen. Das dezente Make-up. Die aufrechte Haltung. Eine gewalttätige Beziehung ist ein Kreislauf, wird nicht selten zur Sucht. Der schwächere Part – wenn es um körperliche Gewalt geht, fast immer die Frau – duckt sich, beschwichtigt, versucht, keinen Anlass zum Ärger zu geben. Die Anspannung steigt trotzdem, kleine Misshandlungen nehmen zu, steigern sich zum Gewaltexzess. Dann kommt die Versöhnungsphase, Reue, Versprechungen, Liebesschwüre, oder manchmal auch eine vorübergehende Trennung. Die Frau lernt, den Schmerz auszuhalten und zu verbergen, siegibt sich die Schuld an den Misshandlungen, schämt sich dafür. Sie versucht den Beteuerungen zu glauben, dass es nie wieder vorkommen wird, obwohl sie aus Erfahrung sehr wohl weiß, dass mit der Versöhnung alles von vorn beginnt.
    Â»Ihr Mann schlägt Sie«, sagt Judith leise. »Und er betrügt Sie.«
    Marlene Nolden lächelt gequält. »Diese jungen Dinger, das hat nichts zu bedeuten.«
    Â»Auch dann nicht, wenn er seine Geliebte tötet?«
    Marlene Nolden macht eine abwehrende Geste, zeitlupenartig, beinahe so, als sei sie in Trance. Nimmt sie Beruhigungsoder Schmerzmittel? Gut möglich. Der Hausarzt verschreibt Tabletten, der Gatte spendiert Wellnesswochen zur Erholung und schlägt so, dass die Blessuren unter der Kleidung verschwinden, das alte Lied in vornehmen Kreisen. Im Frauenhaus landen fast immer nur die Mittellosen.
    Â»Es liegt an mir«, flüstert Marlene Nolden. »Ich habe Alex enttäuscht, war nicht gut genug. Jetzt bin ich nutzlos. Immer krank.«
    Â»Sie sind nicht so gut wie seine Mutter, meinen Sie.« Ist es so banal, immer noch, immer wieder? Ein Sohn, der sich für die übermächtige Mutter rächt oder die Kälte seines Vaters imitiert. Eine Tochter aus bestem Hause, die bis in alle Ewigkeit um die Liebe eines gestrengen Daddys buhlt und dabei Talent und Vermögen verliert. Es ist so banal, und auch wieder nicht, weil sich Abgründe dahinter verbergen. Abgründe, die dennoch nicht vernünftig erklären, warum einige Paare zu Täter und Opfer werden und andere nicht.
    Die Stille im Haus scheint greifbar, wie eine physische Präsenz. Judith zwingt die Albtraumbilder beiseite, konzentriert sich auf das Verhör.
    Â»Ines braucht Hilfe.«
    Marlene Nolden erstarrt.
    Â»Sie sind zu Doktor Petrowa gegangen. Heimlich, wie Sie hofften. Aber Ihr Mann hat es herausgefunden.«
    Â»Nein!«
    Judith tippt auf den Zeitungsartikel. »Er ist ins Büro von Dr. Petrowa eingedrungen und in ihre Wohnung.«
    Â»Nein!«
    Â»Sie hatten geglaubt, wenigstens Ihre Katze sei in Sicherheit.«
    Â»Mohrli.« Lautlose Mascaratränen fließen über Marlene Noldens Wangen, sie beginnt zu zittern.
    Â»Die Geliebte Ihres Mannes heißt Nada, Nanette Dannen. Ihr Mann hat sie getötet.«
    Â»Nein.« Marlene Noldens Stimme ist tonlos.
    Â»Es ist vorbei.« Judith versucht, Sicherheit in diese Worte zu legen, Sicherheit, die sie nicht spürt. »Ich werde gegen Ihren Mann wegen wiederholter schwerer Körperverletzung Anzeige erstatten. Als Polizeibeamtin bin ich dazu per Gesetz verpflichtet.«
    Â»Ich kann das nicht.«
    Â»Doch, Sie können. Am frühen Morgen des 7 . Januar sind Sie zum ersten Mal zu Doktor Petrowa gegangen. Sagen Sie mir, was davor passierte.«
    Â»Er kam von ihr, es war schon spät.« Die Worte sind wie ein Windhauch, kaum zu verstehen. »Ich hatte auf Alex gewartet. Ich kann nie schlafen, wenn er bei ihr ist. Er war ganz voller Blut. Nasenbluten, hat er gesagt. Der schöne Mantel, ich wollte ihn reinigen lassen, aber er hat ihn einfach in den Müll geworfen.«
    Â»Ihr Mann war also in der Nacht

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