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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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lässt. Ist die Hoffnung, dass sie über Frauen für Frauen weiterkommt, nur eine fixe Idee? Judith denkt an Manni und Makowski. Sie denkt an all die Bordelle und Wohnungen und schäbigen Ecken, in denen sie herumstöbern und doch nichts ändern. Sie sehnt sich auf einmal nach der Zeit mit Cora und den anderen Frauen, nach dem Enthusiasmus, der sie damals trug. Sie waren so sicher gewesen, sie könnten gewinnen.
    Â»Ich bin müde«, sagt Cornelia Offinger, als hätte Judith ihre Gedanken laut ausgesprochen. »All die Jahre machen wir dieselbe Arbeit, wiederholen dieselben Argumente, und dann wird alles immer nur noch schlimmer. Und ob es nun um häusliche Gewalt geht oder um Prostitution, auch die Opfer bleiben immer dieselben – Frauen. Und die Täter sind fast immer männlich. Es gibt Gesetze, klar, und Betroffenheit, wenn die Medien sich über hochgepushte Einzelschicksale ereifern. Das haben wir immerhin erreicht. Doch am System ändert das gar nichts. Die Typen machen trotzdem weiter, und viele Frauen sind so durcheinander, dass sie sogar Stangen-Striptease-Kurse belegen, die es inzwischen selbst an Volkshochschulen gibt. Studentinnen ziehen sich aus und posieren in Pornoposen und stellen das dann auf Webportale, in denen ihre Kommilitonen darüber abstimmen, ob sie geil genug sind. Und die anderen reden sich ein, das betreffe sie nicht.«
    Â»Feminismus ist halt unbequem.«
    Cornelia Offinger nickt. »Weshalb du dich beizeiten auf die Gewinnerseite geschlagen hast.«
    Â»So ist es nicht …«
    Â»O doch! Du bist Kommissarin, eine Respektperson, du bekommst jeden Monat ein anständiges Gehalt dafür. Du musst nicht jedes Jahr aufs Neue um die Zuteilung staatlicher Fördergelder bangen. Du musst dich nicht als frigide Lesbe beschimpfen lassen. Musst nicht fürchten, dass auch nach Dienstschlussverzweifelte Frauen auf dich warten, denen du einfach nicht helfen kannst. Stattdessen gehst du heim und vögelst mit deinem Patrick oder wie auch immer dein derzeitiger Macker gerade heißt.«
    Judith springt auf. »Halt Patrick da raus!«
    Die Frauen-für-Frauen-Chefin funkelt Judith an. Wut liegt in diesem Blick. Schmerz. »Wir hatten Pläne zusammen, wir wollten Frauen für Frauen gemeinsam leiten. Du als Anwältin, ich als Psychologin. Du hast mir nie gesagt, dass du etwas anderes willst. Stattdessen bist du eines Tages einfach ausgezogen, während ich verreist war.«
    Â»Ich weiß, dass das feige war«, sagt Judith leise. »Feige und sehr verletzend. Ich wusste damals selbst nicht, was mit mir los war, warum ich das tat. Wusste nicht, wie ich es dir erklären könnte. Es war auf einmal alles zu eng. Heute denke ich, ich musste meinen eigenen Weg finden, ihn allein gehen.«
    Â»Nicht allein. Mit Patrick.«
    Judith schüttelt den Kopf. »Patrick war ein Freund, von Anfang an. Nicht weniger, nicht mehr. Doch das hat nichts mit unserer Geschichte oder meiner Entscheidung damals zu tun.«
    Â»Du bist ihm zur Polizei gefolgt.«
    Â»Ich habe mich dafür entschieden, weil ich die Hoffnung hatte, dort etwas erreichen zu können.«
    Â»Und jetzt hast du die nicht mehr?«
    Â»Ich weiß es manchmal nicht.« Judith starrt auf das Foto der jungen Frau. Eine Frau, die einmal einen Traum gehabt haben muss, Hoffnungen, Ambitionen. Bis jemand sie zerstörte. Sie hebt den Kopf, sucht Coras Augen. Ich war tatsächlich feige damals, denkt sie. Ich hatte Angst vor Cora, ihrer Liebe, ihrer Klugheit, ihrer Lebenserfahrung. Ich hatte Angst, mich zu verlieren.
    Â»Patrick ist tot«, sagt sie leise. »Schon mehr als drei Jahre. Er ist im Dienst erschossen worden, als er mich vertrat.« Sie beißt sich auf die Unterlippe.
    Â»Das tut mir leid.« Zum ersten Mal sieht Cornelia Offinger Judith direkt in die Augen. Ich habe diesen Blick vermisst, wird Judith klar. Herrgott noch mal, ich hätte schon vor Jahren zu ihr gehen müssen, die alte Freundschaft retten, wenn sie denn zu retten ist. Stattdessen habe ich mich immer mehr in meinen Beruf verbissen, als wäre das die einzige Welt.
    Â»Ich weiß, dass du dich vor allem mit häuslicher Gewalt beschäftigst, Cora, nicht mit Menschenhandelsopfern«, sagt sie langsam. »Aber du hast Kontakte. Du genießt das Vertrauen deiner Kolleginnen, ich bin mir sicher, dass es so ist.«
    Â»Mag sein. Aber warum solltest gerade du davon

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