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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Existenzgrundlage abschleppen lassen. Die Kinder haben nichts mehr zu essen. Ich kann nichts dafür, Ehrenwort. Es war Stau ...«
    Dann sieht er mich mit diesem Blick eines büßenden Opfers an, den ich ihm nie austreiben konnte. Ich ertappe mich dabei, wie ich ihm verspreche, die Sache gleich morgen früh in Ordnung zu bringen. Didou ist so erleichtert, daß er meinen Kopf in beide Hände nimmt und mir einen Kuß auf die Stirn drückt.
    Mina hat für mich ein Festessen bereitet: Pilzomelett. Ich esse meine Portion, ihre und einen Teil von der Portion der Kinder, dann gehe ich ins Schlafzimmer, um zu verdauen. Gerade als ich in Tiefschlaf falle, rüttelt mich meine Tochter wach.
    »Papa, die Zentrale.«
    Ich taumele in die Diele, greife zum Hörer. »Jaaa?«
    »Sie möchten sich bitte mit den Kollegen vom Labor in Verbindung setzen«, informiert mich Serdj.
    »Wie spät ist es jetzt?«
    »15 Uhr 20.«
    »Würde es dir was ausmachen, mich abzuholen? Meine Kiste ist in der Werkstatt.«
    »Ich bin in einer Viertelstunde vor Ihrem Haus.«
    Das Labor der Spurensicherung befindet sich im Untergeschoß eines Verwaltungsgebäudes direkt neben der Zentrale. Bachir, der Leiter der Abteilung, empfängt uns in seiner Box. Das Glas, das ich am Abend zuvor bei Haj Thobane entwendet habe, hat er gewissermaßen als Losung auf seinem Schreibtisch postiert. An der Art und Weise, wie seine Augenbrauen hochschnellen, erkenne ich, daß er das Geheimnis gelüftet hat.
    »Nun?« frage ich ihn.
    »Du hattest recht, Brahim. In dem Glas war eine Dosis Beruhigungsmittel, mit der selbst ein Dickhäuter zwei Nächte hintereinander durchgeschlafen hätte.«
    »Bist du sicher?«
    »Die Analyse ist eindeutig. Es handelt sich um Stilnox. Ein sehr starkes Medikament. Eine Tablette, und du merkst nicht mal, wenn neben dir Katastrophenalarm ausbricht.«
    »Und auf der Waffe?«
    »Nur die Spuren des Verstorbenen.«
    Ich nehme Serdj am Arm und verschwinde nach draußen. Ich habe es geahnt, wie immer holen mich meine schlimmsten Befürchtungen ein. Mir wäre es lieber gewesen, wenn sich die Sache erledigt hätte und ich wieder zum Alltag übergehen könnte, aber nichts da, die Affäre Thobane muß noch einmal aufgerollt werden. Und ich bin mir ganz und gar nicht sicher, daß ich sie je in den Griff kriegen werde.
    »Alles in Ordnung, Kommissar?« fragt Serdj besorgt.
    »Wie wär's, wenn wir ans Meer fahren würden? Ich brauche einen verdammt starken Kaffee und eine frische Brise, damit ich wieder einen klaren Kopf bekomme.«
     
    Ein nicht mehr ganz frisches Dienstmädchen öffnet mir die Tür. Ich weise mich aus. Sie versteht mein Kauderwelsch nicht und bittet mich, meinen Satz zu wiederholen. Ich lege ihr nahe, ihrer Herrin zu bestellen, daß Kommissar Llob sie zu sprechen wünsche. Nach ein paar Minuten kehrt sie zurück und führt mich zum Swimmingpool. Nedjma liegt ausgestreckt auf einem Liegestuhl, ihre Sonnenbrille ins Haar geschoben. Sie liest in einer Modezeitschrift, ihr Neglige gibt den Blick frei auf ihre makellosen Beine.
    »Guten Tag, Kommissar.«
    »Madame?«
    »Ist das nicht ein wunderschöner Tag?«
    »Wenn man es sich leisten kann.«
    Sie legt ihre Zeitschrift beiseite und sieht mir gerade ins Gesicht, den Ellbogen auf ein Kissen gestützt. Ihre großen Augen bezaubern mich. Ich fühle, wie mir die Knie weich werden.
    Sie fordert mich auf, neben ihr Platz nehmen. Ich knöpfe die Jacke auf, um meinen Bauch nicht länger einzuzwängen, und strecke mich dicht neben ihren dämonischen Reizen aus. Sofort verwandelt sich der Liegestuhl in einen fliegenden Teppich.
    Das Dienstmädchen bringt Fruchtsaft und Importkekse. Sie stellt das Tablett auf einem kleinen Marmortischchen ab und verzieht sich.
    »Ist das eine Algerierin?«
    »Ich glaube, sie ist aus dem Jemen. Sie hat in der algerischen Botschaft in Aden als Köchin gearbeitet. Ein Freund hat sie mir empfohlen. Sie kann alles, einfach großartig.«
    Ich schaue dem Dienstmädchen hinterher.
    Nedjma richtet sich auf, um uns zu bedienen.
    Sie reicht mir ein Glas Orangeade. Ich nehme einen Schluck, schnalze bewundernd mit der Zunge.
    »Ausgezeichnet.«
    »Hervorragend, nicht?«
    »Alles hier ist hervorragend.«
    Sie beehrt mich mit einem Lächeln, das selbst einen Krüppel ohne Beine wieder zum Laufen bringen würde.
    »Meinen Sie das ehrlich, Kommissar?«
    »Und ob!«
    Sie lehnt sich wieder zurück, schiebt die Sonnenbrille auf die Nase und fragt scheinheilig: »Waren Sie zufällig in der

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