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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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mit goldenen Kordeln zusammengehaltene schwere Samtvorhänge. In der Mitte des Raums thront ein großes Baldachinbett, mit einem Nachttisch an jeder Seite und einem römischen Kanapee am Fußende. Gegenüber reflektiert ein monumentaler Spiegel das einfallende Tageslicht. Die Wände sind in leicht gebrochenem Weiß gestrichen. Die von der hohen Decke kaskadenartig herabhängenden Kronleuchter sind wahre Wunderwerke, die ein Schweinegeld gekostet haben müssen, das nicht mal tausend rechtschaffene Beamte aufbringen könnten.
    Nedjma entschuldigt sich für einen Moment, was ich ihr gern zugestehe. So kann ich in aller Ruhe die Örtlichkeiten in Augenschein nehmen. Ich untersuche Haj Thobanes Lesebrille auf einer Kommode, ein Glas auf dem Nachttisch - das stecke ich in meine Manteltasche -, ein Spiralheft neben einer Tischlampe. Ich schnüffle in den Schubladen herum, durchwühle einen ganzen Stoß Akten, finde aber nur Belangloses, nichts wirklich Interessantes. Das Geräusch der Wasserspülung ruft mich wieder zur Ordnung. Nedjma taucht auf, als ich gerade ein Ölbild mit dem Verstorbenen zu seinen besten Zeiten bewundere.
    »Das ist von Alessandro Cutti, einem berühmten italienischen Maler«, klärt sie mich leicht gereizt auf.
    »Es hätte mich auch gewundert, wenn es von Denis Martinez wäre.«
    »Wer ist das?«
    »Ein berühmter algerischer Maler.«
    Die Klingel unterbricht das Gespräch. Nedjma runzelt die Stirn, bevor sie an die Gegensprechanlage geht.
    »Das werden die Leute von der Spurensicherung sein«, teile ich ihr mit. »Ich habe veranlaßt, daß sie kommen.«
    »Warum die Spurensicherung, Kommissar? Es handelt sich um einen Selbstmord.«
    »Reine Formsache, Madame«, beruhige ich sie.
     
    Haj Thobane wird dem Totengräber nach weniger als vierundzwanzig Stunden übergeben. Ob man so der muslimischen Tradition entsprechen oder schleunigst ein häßliches Kapitel im Leben dieses legendären Revolutionärs abschließen will, weiß ich nicht, auf alle Fälle geht alles unheimlich schnell. Ein von einem ungehobelten Kommunalbeamten ausgestellter Totenschein, ein paar Schaufeln Erde, zwei lächerliche Steinplatten als Grabstein. Ein Trauermarsch ohne Blaskapelle und ohne Ehrengeleit. Die Honoratioren von Sidi Ba fehlen, allen voran der Bürgermeister. Es sind nicht viele Leute da, vielleicht fünfzig in letzter Minute vom Land herbeigeeilte, staubbedeckte Hinterwäldler, eine Gruppe senil vor sich hin schlotternder ehemaliger Kämpfer mit erloschenem Gesichtsausdruck und ein sich arrogant gebärdender, undurchsichtiger Imam, der ständig die Suren durcheinanderbringt. Die Fahrer des Leichenwagens warten ungeduldig auf ihre Bahre, damit sie endlich verduften können. Lediglich ein Alter, gestützt von einem jungen Mann, schluchzt etwas abseits in sich hinein. Das muß der Bruder des Verstorbenen sein. Ein paar alte Gefährten versuchen ihn ohne große Überzeugung zu trösten, manche nehmen es ihm übel, daß er den Leuten ein solches Schauspiel bietet.
    Als die sterblichen Überreste in die Grube hinuntergelassen werden, drehe ich auf dem Absatz um und gehe zum Parkplatz, wo Serdj neben meinem Wagen Wache hält. Er wollte nicht an der Beerdigung teilnehmen, Gräber machen ihn krank, hat er gesagt.
    »Was machen wir jetzt?« erkundigt er sich.
    »Entscheide du.«
    Er schlägt vor, an der Küstenstraße einen Kaffee zu trinken. Ich zucke mit den Schultern. Unterwegs merkt er, daß ich völlig fertig bin, und hält es schließlich für klüger, mich zu Hause abzusetzen.
     
    Didou erwartet mich mit betretener Miene am Hauseingang. »Was gibt's denn jetzt schon wieder?«
    Didou ist Taxifahrer. Es vergeht keine Woche, ohne daß ihm ein Strafzettel aufgebrummt wird.
    »Diesmal hab ich keine Schuld, Ehrenwort«, beginnt er. »Ich war gerade mit einem Kunden unterwegs, da komme ich an einem Abzweig in einen Stau. Der Typ hinter mir fängt an zu hupen und traktiert mich wie verrückt mit seiner Lichthupe. Er hatte es anscheinend eilig, aber ich konnte weder weiterfahren noch zur Seite ausweichen. Er hat mich wüst beschimpft, aber ich bin ganz ruhig geblieben, Ehrenwort. Ich hab deinen Rat befolgt.«
    »Nicht ganz, wie ich sehe. Du redest die ganze Zeit um den heißen Brei herum.«
    Didou nimmt seine abgewetzte Mütze vom Kopf und knetet sie in den Händen. Meine Ungeduld ärgert ihn, es paßt ihm nicht, daß er sich kurz fassen soll.
    »Das war ein Brigadier, Brahim. Der hat mir meine Papiere abgenommen und meine

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