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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Gegend?«
    »Um ehrlich zu sein, Madame, ich bin nie zufällig in einem Nobelviertel. Es muß schon etwas wirklich Zwingendes vorliegen, damit ich mich dorthin verirre. Ich mag die Reichen nicht. Ihr Glück kotzt mich an.«
    »Schade.«
    »Warum schade, Madame?«
    »Sie haben es nicht verdient, daß die Freuden der anderen Sie bedrücken.«
    »Das ist doch meist nur Schaumschlägerei.«
    Sie rührt ihr Getränk nicht an und stellt es zurück auf den Tisch. Auf einmal empfindet sie nur noch Verachtung für mich.
    »Kann man erfahren, was Sie zwingt, Ihre miese Laune bei mir abzuladen, Kommissar?«
    »Ich bin wegen der Ermittlungen hier und möchte ein paar undurchsichtige Zusammenhänge aufklären.«
    »Ermittlungen in welcher Sache?«
    »Im Todesfall von Haj Thobane selbstverständlich.«
    Sie runzelt die Stirn. Ich beobachte ihre Hände, sie hat sich absolut in der Gewalt. Diese Frau, denke ich, hat Format, sie weiß, was sie will und wie sie es erreicht.
    »Ist das Ihr Ernst, Kommissar?«
    »Drücke ich mich unklar aus?«
    »Allerdings. Es handelt sich um einen Selbstmord. So hat es auch in den Zeitungen gestanden .«
    »Die Zeitungen schreiben, was man von ihnen verlangt, Madame. Wir befinden uns im sozialistischen Algerien, vergessen Sie das nicht.«
    »Was bereitet Ihnen Kopfzerbrechen bei diesem Selbstmord?«
    »Eine ganze Menge.«
    »Zum Beispiel?«
    »Die Pistole in der rechten Hand.«
    »Ja, und?«
    »Haj Thobane war Linkshänder. Deshalb wurde er im Maquis so genannt.«
    »Ich habe ihn problemlos beide Hände benutzen sehen.«
    »Kann sein. Aber haben Sie ihn auch ohne Brille Zeitung lesen sehen?«
    Sie fährt hoch.
    »Seine Brille lag nicht auf dem Schreibtisch neben der Zeitung, Madame. Sie war in Ihrem Schlafzimmer, auf dem Nachttischchen.«
    »Vielleicht hat er sie dort liegenlassen, als er die Pistole holte.«
    Sie versetzt mich immer wieder in Erstaunen.
    »Kann sein. Das Problem ist, wie hat er es fertiggebracht aufzuwachen, mit der Dosis Schlaftabletten, die Sie ihm verabreicht haben? Die Analysen haben ergeben, daß nicht mal ein Gaul aus dem Aures das überlebt hätte. Haj Thobane konnte nicht aufwachen und sich bis in sein Büro schleppen, geschweige denn einigermaßen nüchtern darüber nachdenken, was er als nächstes tun würde. Er war praktisch nicht in der Lage, auch nur den kleinen Finger zu rühren, um sich zu kratzen.«
    »Worauf wollen Sie hinaus, Kommissar?«
    »Darauf, daß Ihre Geschichte auf wackligen Füßen steht. Haj Thobane ist ermordet worden, Madame. Mit oder ohne Ihre Beihilfe.«
    Nedjma setzt sich auf, die Hände um die Knie geschlungen. Ich kann nicht sehen, was sich hinter ihrer Brille abspielt, ihre Gesichtszüge verkrampfen sich jedoch. Sie versucht nicht einmal, ihre Wut zurückzuhalten.
    »Ist Ihnen klar, was für einen Schwachsinn Sie da von sich geben?«
    »Absolut.«
    »Das bezweifle ich, Kommissar.«
    Sie würdigt mich keines weiteren Blickes, nimmt ihr Handtuch und verschwindet wie der Blitz im Haus.
    Als ich das Dienstmädchen antanzen sehe, hebe ich die Hände und steige eiligst von meinem fliegenden Teppich.
    »Sie brauchen sich meinetwegen nicht zu bemühen«, rufe ich ihr entgegen, »ich kenne den Weg.«
     
    Ich habe nicht die Kraft, meine Post durchzusehen. Drei Vorgänge liegen auf dem Schreibtisch herum, zwischen Telefon und Schreibunterlage. Dort liegen sie seit Tagen, versiegelt wie eine eidesstattliche Erklärung. Baya kommt von Zeit zu Zeit herein, um sich zu vergewissern, daß ich noch am Leben bin. Mein mürrisches Gesicht macht ihr Sorgen.
    Der Direx ist noch nicht wieder da. Sein Hofstaat berichtet, daß seine Genesung sich noch eine Weile hinziehen wird. Trotz Haj Thobanes Sturz denkt sein Blutdruck gar nicht daran, auch nur um ein Pascal zu sinken.
    Eigentlich wollte ich ihn zu Hause besuchen, aber ich fürchte, daß sich sein Zustand dann verschlechtert. Ich bin zu ungeschickt, wenn es darauf ankommt, sich ordentlich zu benehmen.
    In Abwesenheit des Chefs hat Bliss seinen Posten eingenommen. Er regiert den Hühnerstall mit eiserner Hand, sein Hahnengeschrei ist lauter, als es das vom Direx je war.
    Lino fehlt mir.
    Seltsamerweise ruft in dem Moment, da mein Blick auf den Schreibtisch des Lieutenants fällt, Ghali Saad an. Mit heiterer Stimme beglückwünscht er mich zu meiner geleisteten Arbeit, spricht von einem Silberstreif am Horizont, der das Grau in Grau der bleiernen Jahre vertreiben werde, von der Erleichterung der werktätigen Massen,

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