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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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vom Gitter.
    »Ich wollte mich gerade hinhauen«, sagt er vorwurfsvoll.
    »Es ist gleich neun Uhr«, erinnere ich ihn.
    »Ich bin nachts auf den Beinen.«
    Verärgert schiebt er das Tor auf, um uns reinzulassen. Ich fahre bis zum Häuschen vor und stelle den Motor aus. Der Wärter scheucht seinen Hund weg und kommt uns entgegen.
    »Haben Sie ihn entdeckt?« frage ich ihn.
    »Sehen Sie außer mir vielleicht noch jemanden hier?«
    Er führt uns durch Schneisen, die man zwischen die Berge der Autowracks geschlagen hat. »Warum läßt der Leichenwagen eigentlich so lange auf sich warten?« schimpft er.
    »Er ist unterwegs.«
    »Ich hoffe, die Leichenträger machen zwischendurch keine Frühstückspause. Die sollen mir den Scheiß vom Hals schaffen, und zwar flott ... Da ist er. Ihr werdet das schon packen, ihn allein wegzuschaffen. Ich hau mich aufs Ohr.«
    »Nicht so eilig«, rate ich ihm. »Wir müssen dir noch ein paar Fragen stellen.«
    »Wieso, ich hab ihn doch nicht umgelegt.«
    »Aber du hast ihn doch gefunden, nicht?«
    »Das war mein Hund. Wenden Sie sich an ihn. Ich hab nichts gesehen, nichts gehört. Max hat gebellt. Ich bin hin. Der Tote lag da, genauso wie jetzt. Ich hab nichts angerührt. Ich hab die Polizei verständigt. Mehr kann ich dazu nicht sagen . Wenn Sie gehen, machen Sie das Tor zu.«
    Er entfernt sich mit eingezogenem Hals und hängenden Schultern. Sein Hund läuft ihm schwanzwedelnd entgegen. Er versetzt ihm einen Tritt in die Seite und schnauzt ihn an: »Du mußt deine Nase aber auch überall reinstecken.«
    Ich hocke mich vor die Leiche. Es ist der Gelegenheitskiller. An Händen und Füßen mit Eisendraht gefesselt. Sein Oberkörper ist nackt und die Kehle von einem Ohr zum anderen aufgeschlitzt.
     
    23
     
    Die Fingerabdrücke der Leiche vom Schrottplatz haben nichts ergeben. Das sorgfältig erstellte Foto, das an alle Polizeikommissariate von Algier und Umgebung verteilt wurde, war für die Katz. Ich habe Serdj und andere Inspektoren losgeschickt, in den Nachtbars und Nobelschuppen herumzuschnüffeln, wo die jungen Ganoven ihr Geld auf den Kopf hauen, ohne Erfolg. Mein Gelegenheitskiller ist in der Szene unbekannt. Da fiel mir Tilimli wieder ein, wo er sich als Kleinkrimineller für einen Kai'd gehalten hatte. Also bin ich innerhalb einer Woche viermal dorthin gefahren. Die Leute, die ich dort angesprochen habe, verzogen nur das Gesicht. Schließlich bin ich an die Presse getreten. Aber auch von dieser Seite gab es auf das Foto des Unbekannten, das unter der Rubrik »Helfen Sie bei der Identifizierung« von den größten Tageszeitungen des Landes veröffentlicht wurde, keine Reaktion. Ein einziges Mal hat ein Spaßvogel die Telefonzentrale angerufen, um uns auf eine falsche Fährte zu locken.
    Mein Gewirbel weckt schließlich auch die Neugier des unvermeidlichen Bliss. Jetzt, da der Direx bald wieder seinen Posten beziehen wird, würde sein bestallter Spürhund dem Bericht, den er ihm vorzulegen gedenkt, gern noch ein bißchen Würze verleihen. Selbstverständlich hat er alle unbegründeten Abwesenheiten seiner Kollegen aufgeführt, ebenso die kleinen Streitereien und Verfehlungen, aber das reicht ihm nicht. Er hat Wind von der Hektik in meiner Abteilung bekommen und möchte unbedingt wissen, was dahintersteckt. Auf diese Weise hätte er auf alles eine Antwort parat und könnte seinem Herrn den Beweis für seine außergewöhnlichen Qualitäten als Wachhund liefern.
    Er reckt sich und poliert seine Ray-Ban mit dem Zipfel seines granatroten Schlipses. Nachdem er ein Weilchen um den heißen Brei geschlichen ist, kommt er endlich zum Kern der Sache.
    »Ich habe gestern Wagen 14 angefordert, aber der Leiter vom Fuhrpark hat mir gesagt, daß er bereits durch dich belegt war.«
    »Wo liegt das Problem?«
    Er setzt sich die Brille wieder auf seine Rattenvisage.
    »Wagen 14 ist tabu, Llob. Er wird nur auf ausdrückliche Anordnung des Ministeriums aus der Garage geholt. Ich frage mich, was du dir dabei gedacht hast, ohne die Genehmigung des obersten Polizeichefs einfach so mit einem gepanzerten Fahrzeug, das niemand anrühren darf, durch die Gegend zu fahren?«
    »Und jetzt bist du extra zu mir gekommen, um eine Antwort darauf zu hören?«
    »Richtig.«
    Ich mustere ihn einen Augenblick. Man könnte meinen, er käme direkt von der Kosmetikerin. Er ist wie aus dem Ei gepellt, frisch rasiert und riecht stärker als zehn Nutten zusammen. Die Schuhe, die unter seiner gerade geschnittenen Hose zum

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