Nacht über Algier
nach.«
»Worüber?«
»Darüber, was du mir gerade erzählt hast.«
»Wenn du mir versprichst, mich zu schützen, wiederhole ich alles vor Gericht.«
Mit einer knappen Handbewegung bitte ich ihn, für einen Moment die Klappe zu halten.
»Also, was?« fragt er ungeduldig. »Ich hab nicht die Absicht, hier Wurzeln zu schlagen.«
Die Zigarettenglut versengt mir die Finger. Mein Rachen brennt, und mein Gaumen ist bitter vom Nikotin.
»Wärst du in der Lage, deine Auftraggeber wiederzuerkennen?«
»Nicht hundertprozentig. Die beiden Kerle sind gerissen, die gehen nur nachts raus und bleiben im Dunkeln, wenn sie mich bestellt haben. In all den Jahren, in denen ich für sie arbeite, habe ich sie nie getroffen. Wir sind uns nicht ein einziges Mal über den Weg gelaufen. Aber die wissen immer, wo ich stecke, wenn sie mich brauchen.«
»Wenn du nicht mal deine Auftraggeber wiedererkennst, ist deine Sache aussichtslos. Es handelt sich hier um eine äußerst heikle Angelegenheit. Ausgeschlossen, sich auf irgendwelche Geschichten einzulassen, die niemand nachprüfen kann.«
Plötzlich hebt er den Kopf und nimmt die Hände aus den Taschen.
»Was ist denn das für eine Sauerei?«
Ich drehe mich um und folge seinem Blick. Hinter einem Erdwall steigt eine Staubwolke auf, begleitet von einem Motorengeräusch.
»Du elender Hund«, schimpft das Gespenst wütend, »du hattest mir dein Wort gegeben.«
Am Ende des Weges taucht ein Auto auf.
»Keine Ahnung, was das soll«, sage ich.
»Das kannst du mir nicht erzählen! Ihr seid doch alle gleich .«
Der Wagen, ein alter schwarzer Riesenschlitten, kommt in rasender Fahrt näher. Der Mann wird leichenblaß.
»Das sind sie. Sie haben mich ausfindig gemacht.«
Er nimmt seine Beine unter den Arm und rennt los in Richtung Wald. Ich hefte mich an seine Fersen, gebe aber sofort auf; der Gelegenheitskiller muß ein Düsentriebwerk im Hintern haben. Er setzt mit einem Riesenschritt über einen Kieshaufen, läuft am Zaun entlang und spurtet dann wie ein Besessener immer geradeaus. Ich drehe mich zu dem Auto um, die Beretta deutlich sichtbar in der Hand. Der Fahrer entdeckt mich mitten auf dem Weg, die Räder blockieren, er gerät ins Schleudern. Völlig entgeistert bleibe ich wie angewurzelt im Staub stehen. Die Schrottkarre rollt bedrohlich auf mich zu, dreht sich um die eigene Achse, streift mich fast und prallt dann laut scheppernd gegen den Betonmischer.
Der Staub hat sich bereits gelegt, als ich begreife, welcher Katastrophe ich gerade entgangen bin. Der Fahrer öffnet die Tür, angeschlagen, aber unversehrt. Es ist noch ein Kind.
»Ich hab Sie nicht gesehen, Monsieur.«
»Woher hast du denn diese Karre?«
»Sie gehört meinem Vater. Ich darf mir den Wagen manchmal nehmen, damit ich hier, wo niemand ist, fahren lerne. Ich hab Sie nicht gesehn, Monsieur, ich schwör's Ihnen.«
Ich laufe zum Wald, in der Hoffnung, daß mein Beweisstück sich dort verschanzt hat. Aber trotz meiner beschwichtigenden Rufe taucht der Typ nicht wieder auf. Bestimmt hetzt er in diesem Moment schon durch die Straßen am anderen Ende der Stadt.
Ich bin zurück ins Büro gefahren und habe gewartet. Der Unbekannte ruft nicht wieder an. Auch nicht am nächsten und übernächsten Tag. Nach vergeblicher Warterei beuge ich mich den Tatsachen; das Glück klingelt eben nicht zweimal bei ein und demselben Idioten. Ich versuche mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Gestern hat mir der Doktor versichert, daß Lino sich große Mühe gebe, wieder auf die Beine zu kommen. Er mißtraue den Krankenschwestern nach wie vor, dagegen verstehe er sich großartig mit den Patienten. Das ist doch immerhin etwas.
Am Donnerstag teilt mir Serdj in aller Frühe mit, daß man auf einem Schrottplatz eine Leiche entdeckt habe. Wir fahren zusammen zum Tatort, er liegt hinter einem Hügel auf einem Brachgelände voller Schlaglöcher. Hunderte von Schrottkisten türmen sich auf weniger als einem Hektar, ein mit Stacheldraht eingefaßtes, vergittertes Tor gibt den Blick frei auf einen kleinen Hof mit einem verwitterten Wärterhäuschen. Ich hupe, um uns anzukündigen. Der Wärter kommt heraus und mustert uns prüfend, dann geht er die Schlüssel holen. Ein vom Alter gebeugter, bulliger Kerl mit mürrischer Miene. An seiner Seite ein so elender, klappriger Hund, daß er einem kaum Angst einjagen könnte, ohne sich lächerlich zu machen.
Der Mann geht zum Tor, schließt ein mächtiges Vorhängeschloß auf und nimmt die Kette
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