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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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finden und einen Kopf kürzer machen. Du bist meine einzige Chance. Ich liefere mich dir aus, und du garantierst mir einen fairen Prozeß.«
    Ich entnehme seiner fieberhaften Stimme, daß er tatsächlich ein ernsthaftes Problem hat.
    »Also gut, ich erwarte dich in meinem Büro.«
    »Hör auf, mich zu verarschen, Kommissar. Ich brauch nur die Nase rauszustrecken, und schon murksen die mich ab.«
    »Was schlägst du vor?«
    »Daß du mich holen kommst. Allein. Und sofort. Sonst hau ich ab. Versuch nicht, dir einen Plan zurechtzulegen, Kommissar. Nicht nötig, ich stelle mich selbst. Dir und niemand anderem.«
    »Was gefällt dir an mir besser als an anderen?«
    »Du bist kein Bullenschwein. Du kennst mich nicht, aber ich kenne dich. Ich vertraue dir.«
    »Wo bist du?«
    »Gleich bei den Castors.«
    »Das ist keine Gegend zum Picknickmachen.«
    »Ganz richtig.«
    »Ich soll dir also vertrauen?«
    »Das ist keine Falle, Ehrenwort.«
    »Ein ziemlich weitläufiges Terrain.«
    »Am Nordhang ist eine stillgelegte Baustelle. Das ist leicht zu finden. Wenn du von Bab Ez-Zouar kommst, liegt es linker Hand. Hinter der Brache stößt du direkt darauf.«
    »Verstehe.«
    »Ich warte dort auf dich. Und denk dran, keine Begleitung. Keine Freunde. Kein Kollege. Ich kann das gesamte Gebiet überblicken. Wenn du anrückst, und da ist irgendwas faul, verdufte ich.«
     
    Der Ort ist von einer solchen Häßlichkeit, daß man verzweifeln könnte. Die Müllberge, die sich inmitten dieser Trostlosigkeit wie monströse Furunkel überall erheben, sind so abstoßend, daß nicht mal eine wilde Katze sich ihnen nähern würde. Ich stelle mein Auto hinter einer verwitterten Bretterbude ab und warte mit gespitzen Ohren. Eine üblere Ecke kann man sich wirklich nicht vorstellen. Instinktiv taste ich nach meiner Knarre, der kalte Pistolenkolben beruhigt mich. Zu meiner Linken, zwischen Schrotthaufen und modrigen Holzbohlen, rottet ein herrenloser Betonmischer vor sich hin. Dahinter ein löchriger Drahtzaun, der nur noch stellenweise von wackligen Pfosten gehalten wird. Rechter Hand ist das Gelände von Buschwerk überwuchert, das nach etwa hundert Metern in dürres Gehölz übergeht. Die beiden Bauruinen gegenüber, schmutziggraue, traurige Skelette, haben etwas Unheilvolles an sich.
    Hinter einem Büschel wilder Gräser taucht eine Gestalt auf.
    Ich hatte damit gerechnet, auf einen Menschen zu stoßen, vor mir aber steht ein Gespenst. Der Mann schlottert vor Angst. Argwöhnisch schleppt er sich bis zur Motorhaube.
    Als ich die Tür öffne, macht er einen Satz rückwärts.
    »Willst du nicht einsteigen?«
    »Nicht sofort«, brummelt er und wischt sich die Nase am Arm ab. »Vielleicht kreuzen ja deine Kollegen auf.«
    »Ich bin allein gekommen.«
    »Das kann jeder sagen.«
    »Hast du plötzlich kein Vertrauen mehr?«
    »In meinem Job ist das eine Todsünde.«
    »Und was machst du genau?«
    Er stellt sich auf die Zehenspitzen, um die Gegend abzusuchen, und blickt gezielt in Richtung Wald. Seine maßlose Angst erschreckt mich.
    »Ich bin Gelegenheitskiller.«
    »Sonst noch was?«
    Er räuspert sich und spuckt weit aus. Sein verzweifelter Blick verhärtet sich. Mit eisiger Stimme sagt er:
    »Jeder tut, was er kann, um sich zu arrangieren.«
    »Was ist das, ein Gelegenheitskiller?«
    Er steckt die Hände in die Taschen und zieht die Augenbrauen zusammen. Bestimmt fragt er sich, ob es richtig ist, das Gespräch fortzusetzen. Jetzt, da ich vor ihm stehe, ist er sich seiner Sache nicht mehr sicher. Seine Nase läuft unaufhörlich, aber er achtet nicht darauf.
    »Kommissar, hör zu, ich will mich stellen«, betont er noch einmal. »Ich hab Leute über den Haufen geschossen, jetzt will ich dafür bezahlen.«
    »Das ist dein gutes Recht.«
    »Meine Auftraggeber sind hinter mir her und wollen mich ausschalten.«
    »Sachte, sachte, ich komm nicht mit. Verrate mir erst mal, wer du bist und warum sie dich kaltmachen wollen.«
    »Ich hab einen Rivalen getötet, als ich damals Boß einer Jugendgang in Tilimli war. Ich wurde verhaftet und dachte schon, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Statt dessen bot man mir an, für die da oben zu arbeiten und dafür straffrei davonzukommen. Das war verlockend. Mit Zwanzig schlägt man so was nicht aus. Die Aufträge waren einfach: lästige Geliebte, aufdringliche Gigolos, schwatzhaftes Dienstpersonal. Ich hab sie aufgestöbert und abgeknallt. Nicht besonders schwierig. Zu Hause lag dann ein Umschlag im Briefkasten. Den

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