Nacht über Algier
Rest der Zeit hab ich die Knete verjubelt wie die hohen Herren. Zehn Jahre lang lief das so, ohne Probleme. Ich war immer korrekt. Habe nie nachgefragt. Und auf einmal wollen sie mich loswerden. Keine Ahnung, was sich hier abspielt. Vor drei Wochen haben sie meine Freundin entführt. Zuerst dachte ich, sie hätte mir den Laufpaß gegeben. Irrtum! Meine Auftraggeber haben mir gedroht, wenn ich sie lebend wiedersehen wollte, müßte ich mich zeigen. Sie brachten mich in ein Haus auf dem Land und befahlen mir, mich still zu verhalten. Die Dinge stünden schlecht, ich müsse das Land verlassen, sie würden mir einen Paß besorgen. Ich war einverstanden. Kurze Zeit später tauchte ein Gorilla auf. Ich fragte ihn, ob er den Paß bei sich habe. Er sagte >Ja<, holte seine Knarre raus und fügte hinzu >das Visum auch<, wobei er einen Schalldämpfer auf den Lauf schraubte. Da habe ich um mich geschlagen und bin mit Warda, meiner Freundin, in Richtung Wald gelaufen. Der Gorilla und noch so ein Arschloch hinter uns her. Sie haben auf uns geschossen und uns aufgefordert stehenzubleiben. Warda hat eine Kugel in den Oberschenkel bekommen. Ich konnte nichts für sie tun. Ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist. Ich bin weitergerannt. Das geht jetzt schon zwanzig Tage so. Ich kann nicht nach Hause. Ich weiß nicht, wohin ich gehen soll.«
»Und wen hast du zuletzt kaltgemacht?«
»Den Fahrer von einem hohen Tier. Von dem Revolutionär, der sich neulich umgebracht hat.«
»Thobane?«
»Kann sein. Laut Abmachung sollte ich vor seiner Villa warten und seinen Fahrer erschießen. Genau das hab ich gemacht. Ich versteh nicht, warum man mich jetzt umlegen will.«
»Das warst doch nicht du«, sage ich zu ihm, um Zeit zu gewinnen und wieder zu mir zu kommen, denn was ich gerade gehört habe, haut mir die Beine weg. »Der Mörder war ein Typ, der gerade erst aus dem Gefängnis entlassen worden war. Man hat ihn unschädlich gemacht.«
»Schwachsinn. Ich hab den Kerl umgelegt. Und ich durfte ihn nicht verfehlen.«
Ich suche in meinen Taschen fieberhaft nach der Zigarettenschachtel. Meine fahrigen Bewegungen alarmieren ihn, er denkt, ich würde meine Waffe ziehen, und will abhauen.
»Bloß eine Kippe«, rufe ich und zeige ihm die Schachtel. »Willst du eine?«
»Da könnte Stoff drin sein.«
»Du kannst es dir überlegen.«
Ich stecke mir eine Zigarette an und inhaliere gierig. Mit den ersten Zügen bekomme ich wieder einen klaren Kopf, und meine Hände hören auf zu zittern.
»Warum hast du denn auf den Beifahrer geschossen und nicht auf den Mann am Steuer, wenn du hinter dem Fahrer her warst?«
»Man hatte mir über Funk einen Gegenbefehl durchgegeben. Unterwegs hatten sie eine Reifenpanne. Beim Radwechseln hatte sich der Fahrer die Hand verstaucht. Man hat mich sofort informiert, daß er jetzt nicht mehr am Steuer sitzt. Der Rest war ein Kinderspiel.«
Er hat die Prüfung erfolgreich bestanden. Eine Menge Gedanken schießen mir wild durch den Kopf und kommen sich gegenseitig ins Gehege. Dieser Typ ist das Teilchen, das in meinem Puzzle fehlte. Gleichzeitig habe ich keine Idee, wie ich die Sache anpacken und ihn zu fassen kriegen soll. Ich bin mir sicher, eine schreckliche Bombe in der Hand zu haben, aber mir ist klar, daß ich kein Pyrotechniker bin. Plötzlich begreife ich den tieferen Sinn von Dines Worten im Restaurant in Beicourt. Ein glühendes Bügeleisen legt sich mir auf den Magen. Mir bricht der Schweiß aus, durchtränkt meinen Kragen und läuft mir den Rücken runter.
»Ich fasse es nicht«, rufe ich aus, um die Angst, die mich überfällt, zu verjagen. »Hast du ihn mit deiner Waffe kaltgemacht?«
»Ich hab nie eine Waffe bei mir. Die bekomme ich gestellt, jedesmal eine neue.«
»Weißt du, daß die Waffe, die du benutzt hast, einem Bullen gehörte?«
»Das geht mich nichts an. Je weniger Fragen du in meinem Job stellst, desto mehr Aussicht hast du, nach einer durchgeschlafenen Nacht wieder aufzuwachen.«
»Wie haben sie sich die Waffe beschafft?«
»Was weiß denn ich? Der Typ hat mir die Knarre in einer kleinen Plastiktüte übergeben. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie nicht beschädigt werden darf. Ich sollte Handschuhe tragen, die Pistole hinterher gleich wieder in die Tüte stecken und in eine ganz bestimmte Mülltonne werfen ...«
Mir bleibt die Luft weg.
»Was ist los, Kommissar? Meine Geschichte paßt dir wohl nicht?«
»Das ist es nicht.«
»Was ist es dann?«
»Ich denke
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