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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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großzügig wie Schalterbeamte, Kommissar.«
    »Ich bin bereit, mein Hemd zu verpfänden. Ich bleibe nicht lange. Ich muß ihn sprechen.«
    Er schüttelt verächtlich den Kopf. »Kommt nicht in Frage.«
    Und dreht uns den Rücken zu.
    Lino sieht, wie die Wut in mir aufsteigt. Er faßt mich am Ellbogen und versucht, mich an Dingen, die nicht wiedergutzumachen wären, zu hindern. Ich lasse ihn gewähren. Nicht, daß ich keine Lust hätte, diesem Schnösel einen Tritt in den Hintern zu geben, aber ich halte es in der Tat nicht für notwendig. Unrecht läßt sich mitunter wieder geradebiegen, Unverstand nie.
     
    Ich will gerade ins Bett gehen, als mich Professor Allouche anruft. Mina reicht mir den Hörer und zieht sich zurück. Ich warte, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hat.
    »Ja?«
    »Ich habe den ganzen Tag versucht, dich in deinem Büro zu erreichen. Deine Sekretärin hat mir gesagt, daß du nicht da seist.«
    Das ist seine Art.
    »Sie hat nicht gelogen, Professor. Ich bin alarmiert, so wie du es mir empfohlen hattest.«
    Seine Stimme wird sicherer. »Hast du den Gefangenen gesehen?«
    »Sein Direktor hat mich daran gehindert.«
    »Warum?«
    »Mein Hemd war kein überzeugendes Pfand. Übrigens, ich hatte ein Gespräch mit einem befreundeten Anwalt. Er hat aufmerksam zugehört und war freundlich, aber absolut eindeutig.«
    »Das heißt?«
    »Der Namenlose wird in fünf Tagen entlassen.«
    Der Professor spuckt empört einen ganzen Schwall Flüche aus und seufzt schließlich ratlos. »Das ist ja schrecklich. Die sind auf dem besten Weg, einen ganz ungeheuerlichen Fehler zu begehen. Einen so brisanten Fall darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen.«
    »Kann sein.«
    »Und was hast du jetzt vor, Brahim?« erkundigt sich der Professor.
    »Schlafen.«
     
    4
     
    Seit einer ganzen Weile beobachte ich, wie Lino seinem Spiegelbild in der Toilette schöne Augen macht. Er betrachtet sich von allen Seiten, zupft sich hier ein Härchen aus, kontrolliert, ob seine Jacke richtig sitzt, und ist so fasziniert von seinen olympischen Körpermaßen, daß er mich überhaupt nicht bemerkt. Der Sache langsam überdrüssig, stelle ich mich heimlich hinter ihn und gurre ihm in den Nacken: »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der dümmste Bulle im ganzen Land?«
    Lino ist nicht zu Späßen aufgelegt.
    »Hast du ein Problem, Kommy?«
    »Du hast eins, mein Sohn.«
    »Und was kümmert dich das?«
    »Sagen wir mal, es geht mich auch etwas an.«
    Er betrachtet mich im Spiegel.
    »Dein Ärger reicht dir wohl nicht, Kommy?«
    »Man ist nicht allein auf der Welt. Zwangsläufig betrifft uns alles, was um uns herum passiert.«
    »Ich kann dir nicht folgen.«
    »In der Stadt geht ein Gerücht um ...«
    »Soll es doch umgehen«, schneidet er mir kurzerhand das Wort ab, »dazu ist es da.«
    »Ja, aber dich zieht es im Schlepptau hinter sich her wie einen Kochtopf.«
    Er preßt die Kiefer aufeinander und geht zum Ausgang.
    »Versuch, nicht allzu viele Federn im Bett zu lassen.«
    Ich schaue ihm nach. Etwas an seinem Gang mißfällt mir.
    Wenn er sich stark genug fühlt, sein Schiffchen dorthin zu steuern, wohin er will, soll er tun, was er für richtig hält. In was mische ich mich da überhaupt ein? Aber das ist es ja gerade, meine in bester FLN-Tradition geschulte Big-Brother-Nase sagt mir, daß der Kompaß meines Schiffsjungen die Richtung verliert und er, wenn ich ihn nicht im Auge behalte, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit an finsteren Ufern stranden wird.
    Dieses Gefühl verstärkt sich noch, als Inspektor Bliss mir mittags in der Kantine das Essen verdirbt. Er stellt sein Tablett auf den Tisch und setzt sich mit hinterhältigem Lächeln mir gegenüber.
    »Ich hoffe, ich störe dich nicht.«
    »Du würdest selbst eine Mumie in ihrem Sarkophag stören«, erwidere ich.
    Daraufhin neigt er sich über meinen Nachtisch und murmelt mir ins Ohr: »Der Fisch ist nicht mehr frisch. Eben habe ich eine Katze aus der Küche schleichen sehen. Sie sah nicht gut aus.«
    »Kein Wunder, bei deiner Visage.«
    Er hebt seine Fratze von meinem Joghurt. Vom Direktor verhätschelt, maßt er sich an, es mir gegenüber an Respekt fehlen zu lassen, und ich ärgere mich, daß ich überhaupt auf diesen Drecksack eingehe, wo ich doch trotz der Scheiße, in der ich den lieben langen Tag herumwühle, immer saubere Hände behalten habe. Er spielt mit der Gabel, stochert in seinem Wittling herum, hält sich bei einer übel aussehenden Gräte auf und angelt

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