Nacht über Algier
dann unter einem Salatblatt eine verschrumpelte Olive hervor. Ich sehe, wie er nach Worten sucht, und fange an, mit dem Messer an den Tellerrand zu trommeln, um ihn dabei zu stören.
»Llob, mein Lieber«, seufzt er, »wenn ich mich zu dir gesetzt habe, dann ganz gewiß nicht, weil mir deine Gesellschaft Appetit macht. Ich weiß, was du über mich denkst, und du weißt, was ich über dich denke; unnötig, uns damit aufzuhalten.
Ich bin nur gekommen, um dich auf deinen Schwachkopf von Lino aufmerksam zu machen . Es liegt nicht in meiner Natur, den Retter in der Not zu spielen und ich hätte durchaus das Bedürfnis den Boß darüber zu informieren, wenn ich mich aber trotzdem lieber zuerst an dich als seinen unmittelbaren Vorgesetzten wende, dann weil du der einzige bist, der ihn noch wachrütteln kann .«
»Kannst du dich nicht kürzer fassen? Meine Seezunge fängt an zu stinken.«
Bliss verzieht sein Gesicht zu einem hämischen Grinsen. Eine Horde Hyänen könnte ihm nicht das Wasser reichen. Seine Doppelzüngigkeit jagt mir eine ganze Dusche kalter Schauer über den Rücken. Mit einemmal nimmt das Stück Tomate, das ich gerade genießen wollte, einen bitteren Geschmack an.
»Wie dumm du sein kannst«, brummt er.
Er nimmt sein Tablett und steht auf. Offensichtlich verspürt er ein boshaftes Vergnügen bei der Vorstellung, mir die Verantwortung für die Zukunft meines wichtigsten Mitarbeiters in die Schuhe zu schieben. Um noch einen draufzusetzen, tönt er laut genug, daß es die anderen auch hören können: »Ich dachte, du würdest deine Leute mehr schätzen .«
Ich habe keine Lust weiterzuessen - der Fisch kann in der Tat nicht mehr frisch gewesen sein.
Am Nachmittag überrasche ich Lino dabei, wie er Inspektor Serdj auffordert, er möge sich um seinen eigenen Dreck scheren. Serdj versucht, die Lage mit seiner unterwürfigen Stimme zu entschärfen. Er lehnt an der Wand, die Hände vorgestreckt, den Kopf eingezogen. Lino treibt ihn in die Enge und fuchtelt wütend herum. Baya schafft es nicht, dazwischenzugehen. Sie muß zusehen, wie die Situation eskaliert, aber als Frau gilt sie noch weniger als nichts, ihr bleibt nur, die beiden Männer mit Blicken zu beschwören.
Sie ist erleichtert, als sie mich auf der Türschwelle erblickt.
»Was ist denn das für ein Saustall hier?« tobe ich.
Serdj schluckt krampfhaft seinen Speichel hinunter. Bei der Verehrung, die er mir entgegenbringt, nimmt ihm mein ordinäres Gepolter fast den Atem. Lino dagegen läßt sich von meinem Anpfiff nicht im geringsten beeindrucken. Seine funkelnden Augen sind auf die des Inspektors geheftet, als wollte er sie ihm ausstechen. Ich muß ihn an der Schulter packen, um ihn zurückzuhalten.
»Wenn Herrchen >Platz!< sagt, hast du dich hinzulegen, verstanden? Das hier ist mein Revier, und ich erlaube niemandem, lauter zu sein als ich.«
Lino gibt endlich nach, ohne den Inspektor aus den Augen zu lassen. Er fährt sich mit der Hand über die zuckenden Lippen, zieht heftig die Nase hoch und legt erneut los: »Ich bin volljährig und keine Jungfrau mehr«, brüllt er Serdj an. »Ich brauche mir nichts sagen zu lassen, schon gar nicht von einem Provinzei wie dir. Mein Leben ist ganz allein meine Sache. Ich gehe aus, mit wem ich will, und zieh mich an, wie's mir paßt. Steck ich meine Nase etwa in deine Angelegenheiten?«
»Okay«, lenkt Serdj versöhnlich ein, »ich nehme zurück, was ich gesagt habe. Es war nicht meine Absicht, dich zu kränken.«
»Du hast mich nicht nur gekränkt, Kho, du bist einfach zum Kotzen. Hab ich dich vielleicht nach deiner Meinung gefragt?«
»Nein.«
»Also, was mischst du dich dann ein?«
Lino erinnert sich an meine Hand auf seiner Schulter. Mit zwei Fingern schiebt er sie weg, als handele es sich um Zündstoff. Ich bin sprachlos, übersehe diese Geste jedoch großzügig.
»Kann ich mal mit dir reden?« frage ich ihn.
»Worüber?«
»Komm mit in mein Büro.«
»Ich habe keine Zeit.«
»Sei nicht albern. Es dauert nicht lange.«
»Ich bin nicht in Stimmung, Kommissar. Ich bin müde und will nach Hause.«
»Es ist aber noch nicht Dienstschluß.«
Lino bleibt halsstarrig. Er wirft Serdj noch einmal einen vernichtenden Blick zu, rückt seinen Hemdkragen zurecht, stößt mich beinahe um und wendet sich dann zum Ausgang.
»Ich habe dir doch gesagt, daß noch nicht Schluß ist.«
»Ich bin nicht taub«, murrt er vor sich hin und läßt mich einfach stehen.
Nachdem Lino verschwunden ist, bitte ich
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