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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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abseits auf einer Bank in der Ecke, wie schwankend zwischen der Ausgelassenheit auf den Straßen und der Traurigkeit, die diesen Gleisen anhaftete. Das Licht eines großen Fensters umgab sie mit einem rätselhaften Glanz. Sie war Französin, vielleicht Anfang, Mitte Zwanzig, unbeschreiblich schön, mit Augen größer als das Mittelmeer. Sie trug einen armseligen kleinen Hut, aber keine Ohrringe. Ihr Pappkoffer enthielt offensichtlich ihre sämtlichen Habseligkeiten. Das lange schwarze Kleid reichte ihr bis zu den Knöcheln, und die kurze Jacke verschwand fast hinter den wuchtigen Knöpfen. Das Kleid war aus billigem Stoff genäht, aber es saß tadellos. Nur eine ruhige, feine Hand wie ihre konnte in aller Demut so etwas Vollendetes geschaffen haben . An diesem Tag hielt ich mich für den glücklichsten Menschen. Ich hatte auf allen Boulevards getanzt und in allen Bistros getrunken, bevor ich wie zufällig auf diesen Vorortbahnhof stieß, um dort weiß der Teufel was zu suchen. Vielleicht war ich ihretwegen da, ich fühlte mich wie gelähmt von ihrem vagen Lächeln, außerstande, mich am Tag des großen Sieges aufrecht zu halten. Draußen wollte die Sonne noch nicht untergehen. Im Bahnhof war es schon Nacht. Auf einmal hob sie den Blick zu mir, es war, als würde mich eine Brandungswelle mit sich fortreißen .«
    Ich halte inne. Die Kehle wie zugeschnürt. Serdj senkt ergriffen den Kopf. Baya flennt lautlos in ihr Taschentuch. Aufgewühlt von der heraufbeschworenen Erinnerung, flüchte ich mich in die Betrachtung meiner Hände.
    »Und was ist dann passiert?« fragt mich Serdj mit erstickter Stimme.
    »Dann«, erwidere ich kopfschüttelnd, »dann hat mich Mina mit ihrem Ellbogen in die Seite gestoßen, und ich bin aufgewacht.«
     
    5
     
    Seit langem ungepflastert, gleicht die Straße mittlerweile eher einem Ziegenpfad, der von einer Barrikade aus Müll verstopft wird. Zu beiden Seiten warten verfallene Häuser auf den nächsten Erdstoß, um ein für allemal die Poltergeister, die darin herumspuken, unter sich zu begraben. Während ich mich auf halsbrecherische Weise zwischen den Abfallbergen hindurchzuschlängeln versuche, entdeckt mich ein Brigadier. Mit einem Wink bedeutet er mir, an der Seite zu parken. Ich nicke und lasse meine alte Mühle am Fuß einer Straßenlaterne stehen, der man den Kopf abgeschlagen hat.
    »Hier geht's lang, Kommissar.«
    Er führt mich zwischen den Wagenspuren bis zu einem Wohnsilo und brüllt die Leute an, die dort im Erdgeschoß neugierig herumstehen.
    »Laßt den Herrn Kommissar durch!«
    Eine dicke Hausfrau dreht sich um, sie will wissen, wie die lokale Obrigkeit aussieht. Mein Schmerbauch und mein Doppelkinn beruhigen sie. Sie fängt nun ebenfalls an zu schreien, damit die Leute Platz machen.
    Ich bahne mir einen Weg durch die Gesellschaft wie ein Monarch durch seinen Hofstaat und steige die ächzenden Treppenstufen hinauf. Vorsichtig taste ich mich mit einer Hand an der Wand entlang, die andere halte ich mir vors Gesicht, wegen des Gestanks. Nach einem Lichtschalter brauche ich gar nicht erst zu suchen; es gibt nicht mal eine Leitung.
    Vor der Wohnung am Ende des Korridors steht ein Bulle Wache und bohrt sich in der Nase; ich muß ihn beiseite schieben, um vorbeizukommen. In dem mit armseligen Bündeln vollgestopften Zimmer sitzt eine Frau auf einem Strohsack, drei verängstigte Knirpse an ihre Brust gepreßt. Ihre zerzausten Haare und ihr ausdrucksloser Blick lassen mir die Eingeweide gefrieren.
    Ich bin erstaunt, als ich Serdj in der Diele antreffe. Normalerweise fällt so was in Linos Aufgabenbereich. Serdj sieht mir meinen Ärger an, zuckt mit den Schultern, um mir zu verstehen zu geben, daß es kein großes Ding ist, für einen Kollegen, der sich rar macht, die Kohlen aus dem Feuer zu holen, auch wenn man sich dabei die Finger verbrennen könnte.
    »Der Lieutenant ist verhindert«, lügt er.
    »Was hat er denn diesmal?«
    Serdj merkt, daß ich nicht gut aufgelegt bin. Er schluckt. »Um die Wahrheit zu sagen, ich habe ihn nicht erreichen können«, gibt er kleinlaut zu.
    »Eigentlich hätte er Bereitschaftsdienst.«
    »Ich weiß nicht, wo er steckt.«
    »Aha ...«
    Serdj senkt den Kopf. »Also, was ist hier los?«
    Er richtet sich wieder auf und führt mich in den hinteren Teil der Wohnung, wo Polizeibeamte nicht besonders energisch versuchen, jemanden, der sich hinter einer verriegelten Tür verschanzt hat, zur Vernunft zu bringen.
    »Er heißt Rachid Hamrelaine,

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