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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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verschlingt ihn. Der Direx verharrt eine ganze Weile in Stillschweigen, den Kopf in den Händen vergraben, die Kinnlade vorgeschoben. Er brummelt eine ganze Litanei von Verwünschungen vor sich hin und dreht sich dann zu mir um. Mit einemmal blähen sich seine Nasenflügel bis zu den Augenbrauen.
    »Es ist unerhört, wie du dich aufgeführt hast.«
    Das kann man wohl sagen. Ich versuche trotzdem, ruhig Blut zu bewahren.
    Er schluckt, um seine Fassung wiederzuerlangen, kommt auf mich zu und stammelt in einem Ton, der immer mehr in wirres Gekreische umschlägt: »Ich hätte meine Pappenheimer besser kennen müssen und dich nicht zu unserer Unterhaltung dazuholen sollen . Ich wußte ja, wie überzeugt du von dir bist, aber ich habe nicht gewußt, was für ein Vollidiot du sein kannst. Was ist bloß in dich gefahren, Llob? ... Sag nichts! Ich will nicht noch mehr dummes Zeug hören. Wenn du meinst, du könntest mich und meine Freunde entzweien, dann bist du auf dem Holzweg - Punkt eins. Und jetzt Punkt zwei: Du wirst diesen Hornochsen von Lino auf der Stelle in dein Büro zitieren und ihm die Ohren langziehen, daß ihm Hören und Sehen vergeht. Schon seit einer ganzen Weile wird über seine wilden Eskapaden getuschelt. Und noch schlimmer, er nutzt seinen Dienstgrad aus. Überall, wo er auftaucht, hinterläßt er ein Chaos und zieht damit die gesamte Polizei in den Schmutz.«
    »Herr Direktor .«
    »Halt die Klappe! Ich weiß Bescheid, was sich hier in der Zentrale abspielt und was für krumme Geschäfte draußen gemacht werden. Es gibt finstere Berichte über dieses ganze Treiben. Zu Linos Ausrutscher existiert mittlerweile ein ganzer Berg an Akten. Ich erspare mir Einzelheiten. Und ich fordere dich ausdrücklich auf, ihm unverzüglich eins aufs Maul zu geben.«
    »Soll das heißen, daß ich für seine außerdienstlichen Abenteuer verantwortlich bin?«
    »Ganz richtig.«
    »Da bin ich aber anderer Meinung. Lieutenant Lino ist volljährig und keine Jungfrau mehr, und sein Privatleben geht nur ihn etwas an.«
    »Nicht, wenn er verrückt spielt und dabei seinen Dienstausweis schwenkt.«
    Ich lasse den Kopf sinken wie ein lahmer Gaul. »Ich will sehen, was sich machen läßt, Herr Direktor«, knurre ich schließlich, nur um endlich gehen zu können.
    »Noch etwas: Sag deinem Täuberich, daß das Täubchen, mit dem er sich überall zur Schau stellt, vielleicht Eindruck bei den Leuten macht, ich an seiner Stelle würde aber auf mein Gezwitscher aufpassen. Sie wird ihn rupfen. Und dann wird er es nicht mehr wagen, die Krallen zu zeigen, ohne sich lächerlich zu machen.«
    »Das ist einleuchtend, Herr Direktor.«
    »Und was dich betrifft, Llob, das nächste Mal, wenn du vor einem meiner Gäste wieder so eine Show abziehst, schwöre ich dir .   schwöre ich dir .«
    Er wird von einem Hustenanfall gepackt. Puterrot im Gesicht, verabschiedet er mich und tastet dabei nach einer Karaffe mit Mineralwasser.
    Ich mache mich aus dem Staub, bevor er noch ganz zusammenklappt.
    Fünf Minuten später fällt Bliss mit gespielter Lässigkeit in mein Büro ein. Während er so tut, als interessiere er sich für die Zimmerdecke, kratzt er sich das Kinn und erkundigt sich mit Unschuldsmiene: »Ich glaube zu wissen, daß sich ein Mister Hyde im dritten Stock herumgetrieben hat.«
    »Und wer ist dieser Mister Hyde?«
    »Jemand, der rumbrüllt, egal, wo er aufkreuzt. Ich war bei der Chefsekretärin, als ich das Gegröle hörte. Ich habe sie gefragt, ob es irgendwo brennt, aber sie hatte keine Ahnung. Ich habe einen Blick auf den Korridor geworfen, und da habe ich Haj Thobane gesehen, ganz außer sich. Er brüllte wie am Spieß.«
    »Vielleicht hatte er sich seine Schamhaare im Hosenschlitz eingeklemmt.«
    »Dann hätte er nicht so laut gebrüllt. Außerdem war da noch so ein bekloppter Kerl. Haj war sicherlich hinter ihm her.«
    »Was denn für ein bekloppter Kerl?«
    »Einer von der Sorte, die anständige Polizisten daran hindert, mit denen da oben vernünftig zu verkehren.«
    Jetzt merke ich, woher der Wind weht.
    Ich lege meinen Bleistift auf die Schreibunterlage.
    »Was willst du, du Nervensäge?«
    Er nimmt sein Kinn zwischen die Finger, um die richtigen Worte zu finden, und wirft mir einen vernichtenden Blick zu.
    »Es kommt nicht alle Tage vor, daß uns ein himmlisches Manna einen Besuch abstattet, Llob. Ich finde es ungerecht, daß sich jemand, der schlechte Laune hat, einfach über seine Kollegen hinwegsetzt, nur weil er mit dem linken

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