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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Schutt und Asche gelegten Ortschaften; wir preisen das Charisma dieses Mudjahid und den Patriotismus jenes Stammes; wir erinnern uns an diejenigen, welche mit ihrem Leben die Freiheit bezahlt haben, die uns unsere jetzigen Führer wieder streitig zu machen versuchen; betroffen denken wir an unsere ausrangierten Ideale und gebrochenen Schwüre und zählen die Kränkungen auf, die uns heute schweigen und verzichten lassen; wir beklagen unsere Kinder, die den Gefahren der Ungewißheit ausgesetzt sind, und in dem Moment, da wir vom Glauben abzufallen drohen, fangen wir uns wieder. Alle zusammen, Hand in Hand, stehen wir einander bei und nehmen uns fest vor, weiterzukämpfen bis zum Schluß. Auf diese Weise erneuern wir alte Bindungen, und unser Stamm ersteht wie ein prächtiger Feuersalamander aus der Asche. Für den Zeitraum von vierundzwanzig Stunden erlange ich meine Würde zurück. Weswegen ich dieses Treffen niemals versäume, denn es ist für mich mehr noch als eine Wallfahrt, es ist eine lebensnotwendige Absolution.
    Das ist auch und in erster Linie der Grund, weshalb ich an diesem Morgen des 1. November im Jahr des gnädigen Herrn Präsidenten kurz davor bin, in die Luft zu gehen, als ich in meinem Wagen gegenüber dem Serkadji-Gefängnis zähneknirschend darauf warte, daß ein durchgeknallter Serienmörder in die Gesellschaft zurückkehrt, weil eine Kommission von Arschlöchern mit fragwürdigen Kompetenzen meint, Prinzipienlosigkeit und Demagogie seien die besten Voraussetzungen für eine Wiedereingliederung - je freundlicher der Umgang mit einem Alligator, desto größer die Aussicht, ihn zu zähmen.
    Feiner Regen tröpfelt auf die Stadt, und ein zaghafter Wind stößt sich an den Klagemauern, zu denen unsere Stadtwälle geworden sind. Ein leichter Nebel breitet sein schmutziges Laken an der Straßenecke aus. Als habe sich alle Niedergeschlagenheit der Welt bei uns ein Stelldichein gegeben, um unsere Moral zu untergraben. Nur wenige sind an diesem arbeitsfreien Tag versucht, die muffige Bettwärme gegen die sterile Frische der Bürgersteige mit ihren geschlossenen Läden und schlammigen Schlaglöchern einzutauschen. Außer der Wache, die vor dem Gefängnistor Posten bezogen hat, ist nirgendwo auch nur der Schatten eines Gespenstes zu entdecken. Es ist erst 6 Uhr 42, und der Morgen bereut es bereits, sich in dieses beschissene Viertel verirrt zu haben, wo selbst streunende Katzen die Waffenruhe einhalten. Würde der Regen nicht auf die aufgeschlitzten Müllsäcke prasseln, könnte man sogar den Teufel schnarchen hören. Von soviel Monotonie eingelullt, beginnt mein Blick hin und her zu tanzen, so daß ich nicht mehr in der Lage bin, den Schmutz auf der Windschutzscheibe vom Nebel, der sich in meinem Kopf breitmacht, zu unterscheiden. Nach und nach senken sich meine Augenlider wie ein eiserner Vorhang, und mein ganzer Körper wird steif. Irgendwo zwischen Mina und Morpheus nicke ich ein ... Das Brummen eines Motors läßt mich hochschrecken; meine Zigarette hat inzwischen ihre Asche auf meinem Hosenschlitz ausgebreitet und Inspektor Serdj sich vom Trommeln auf das Lenkrad die Finger wund geschlagen. Laut offizieller Bekanntmachung sind die Glücklichen, die in den Genuß des präsidialen Gnadenerlasses kommen, seit Mitternacht frei. Bald sieben Uhr, aber noch immer hat das Tor der Festung den Brocken nicht ausgespuckt. Serdj sieht nicht gerade glücklich aus. Die Nacht war eisig. Mit dem Kopf gegen die Wagentür gelehnt, ist er auf dem völlig durchgesessenen Sitz schließlich eingedöst, laut schnarchend und mit weit offenstehendem Mund. Es tut mir leid für ihn. Ich hätte ihm das alles gern erspart, aber ich sah mich nicht imstande, Lino einzukassieren.
    »Ich geh Kaffee holen, Kommissar. Möchten Sie ein Croissant oder ein Pain beurre dazu?«
    »Die Vögelchen werden bald ausfliegen.«
    Serdj zieht ein schiefes Gesicht und schaut auf die Uhr. »Es ist noch eine knappe Stunde Zeit.«
    »Was soll das heißen?«
    »Die Häftlinge werden Punkt acht Uhr freigelassen.«
    Ich fahre hoch. »Woher weißt du das?«
    »Ich habe gestern beim Bereitschaftsdienst angerufen. Sie fanden, daß es nicht ratsam sei, die Tore der Strafanstalt gerade zur Rushhour des Verbrechens zu öffnen, sondern daß man lieber den Morgen abwarten solle.«
    »Wieso hast du mir nichts davon erzählt?«
    »Ich dachte, Sie wüßten es.«
    »Du meinst, ich hätte die ganze Nacht aus reinem Vergnügen in dieser abscheulichen Klapperkiste

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