Nacht über Algier
seine Hosentasche stecken soll.
»Großartig«, schnauft er. »Dieser Mann verkörpert das Wunder unserer ruhmreichen Revolution, er vereint in sich zwei Berufungen, die eigentlich unvereinbar sind: das Handwerk des Polizisten und das Talent des Poeten. Ich glaube nicht, daß so etwas auch unter einem anderen Himmel möglich wäre. Ein schriftstellernder Kommissar! Nein, wirklich, das ist ... das ist ...«
»Widernatürlich?« werfe ich ein.
Der Herr Direktor bricht in Lachen aus, um meinen Patzer zu übertönen, aber mehr noch um mich zu beschwören, die Feierlichkeit des Augenblicks nicht zu zerstören. Ich weiß, daß er Probleme hat, seinen Hausbau fertigzustellen, und offensichtlich hängt die Großzügigkeit des Milliardärs ausschließlich von meinem Wohlverhalten ab.
Zu meiner großen Erleichterung beruhigt sich Haj Thobane endlich. Er läßt sich in einen Sessel sinken, schlägt die Beine übereinander und legt die Hände darüber. Für einen Moment blitzt es in seinen Augen auf, dann wird sein Blick starr, und seine Gesichtszüge ähneln wieder denen eines Raubtiers: Das Zwischenspiel ist beendet, wir kommen endlich zum ernsthaften Teil.
»Also«, beginnt er wie ein um seine Beute kreisender Schwertwal. »Es tut mir leid, Sie schon so früh zu stören, Monsieur Brahim, aber es geht um einen Offizier, den Sie kennen .«
»Ich kenne keinen Offizier«, unterbreche ich ihn skrupellos, »weder in der Armee, falls Sie erwarten, daß ich zugunsten eines Ihrer Schützlinge eingreife, noch beim Zoll, falls Sie Container besitzen, die vom Hafenamt festgehalten werden.«
Der Direx ist entsetzt über meine heftige Reaktion, beinahe hätte er sein Gebiß heruntergeschluckt. Und auch Haj Thobane verschlägt es einen Augenblick lang die Sprache. Er sieht fragend zum Chef hinüber, bevor er lospoltert:
»Ich finde, Sie sind sehr impulsiv, Monsieur Brahim Llob. Das ist nicht gerade ratsam für jemanden, der so ungeschickt ist wie Sie. Oder glauben Sie im Ernst, ich würde mich an einen gewöhnlichen Polizeikommissar Ihres Schlages wenden, wenn ich irgendein Problem mit der Armee oder dem Zoll hätte? Ich bin Haj Thobane: Ich kann jeden x-beliebigen Minister im Pyjama antanzen lassen, mein Lieber. Auf der Stelle. Ein Wink genügt ...« Er streckt seinen Zeigefinger gegen mich aus. »Ihre Selbsteinschätzung ist trügerisch, Monsieur Llob. Sie sollten etwas Wasser in Ihren Wein gießen.«
»Ich bin Muslim.«
»Dann schütten Sie eben etwas grauen Amber ins Wasser, wenn Sie Ihre Waschungen machen. Ich bin nicht gekommen, um Ihre Dienste in Anspruch zu nehmen. Ganz unter uns, ich würde ein Mikroskop brauchen, um Sie überhaupt wahrzunehmen. Aber der Zufall will es nun mal, daß ein Polizeibeamter aus Ihrer Abteilung nicht aufhört, in meinen Restaurants Unruhe zu stiften .« Er richtet sich auf seinen kurzen Hachsen auf. »Wenn es nur nach mir ginge, hätte ich ihn am Schlafittchen gepackt und auf den Müll geworfen und schön aufgepaßt, daß ich mir dabei die Hände nicht schmutzig mache. Die Nachforschungen haben jedoch ergeben, daß es sich um einen Lieutenant aus der Zentrale handelt. Da ich mit Ihrem Chef gut befreundet bin, Monsieur Llob, und nicht möchte, daß ein erbärmlicher Bulle eine zehnjährige Kameradschaft kaputtmacht, habe ich es für ratsam gehalten, mich hierher zu begeben, um das Mißverständnis in aller Verschwiegenheit und Freundschaft auszuräumen.«
Der Direx ist hochrot angelaufen. Völlig überrumpelt, weiß er nicht, ob er sich auf mich stürzen oder sich lieber zu Füßen seines Gastes werfen soll, um ihn anzuflehen, noch etwas zu bleiben. Haj Thobane hält es indes nicht eine Minute länger an diesem Ort. Er stößt den Sessel zurück und schreitet, die Halsschlagadern dick wie Regenwürmer, auf die Tür zu. In der Mitte des Raumes dreht er sich um und streckt noch einmal seinen Zeigefinger in meine Richtung aus.
»Bestellen Sie Ihrem Lieutenant, daß er sich außer Reichweite meiner Spucke halten soll, Kommissar Llob. Ungeziefer seiner Art ist schneller plattgedrückt als ein Salzkorn. Aber sagen Sie ihm vor allem, daß seine Bullenmarke in meinen Etablissements nicht gültig ist und ich ihn das nächste Mal damit flambieren werde.«
Der Direx versucht die Situation zu retten. Zu spät: Der Krösus ist schon auf dem Korridor und verschwindet im Fahrstuhl. Mit einer Handbewegung bittet er seine Hofschranze, ihn nicht zu begleiten. Das Gitter schiebt sich zu, und der Aufzugsschacht
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