Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
stammten. Am Ende des Rohrs führten die Spuren quer durch die Büsche und in Schlangenlinien am sumpfigen Ufer unterhalb der Böschung entlang, an einem Apartmenthaus vorbei, in dem die Menschen hinter ihren Glasschiebetüren saßen und sich die Spätnachrichten anschauten, ohne den Mann wahrzunehmen, der aussah, als sei er vor Anbeginn aller Zeiten aus einer Höhle entsprungen.
Er stieß auf ein Speedboot, das mit einer Kette an einem Anlegesteg vertäut war, riss die Kette samt dem Halterungsbolzen los und stellte dann hundert Meter flussabwärts fest, dass er keinen Sprit hatte. Er kletterte mit einem Kanister die Uferböschung hoch, schmiss das Kleid ins Gebüsch und marschierte durch einen trockenen Bachlauf zu einem hell erleuchteten Boulevard, kroch durch ein Wellblechrohr und begab sich in eine Tankstelle. Er hatte nur die Hose und sein schweres Schuhwerk an, und sein haariger, schlammverkrusteter Oberkörper verströmte einen Geruch, bei dem dem Tankwart augenblicklich übel wurde.
Aaron öffnete seine schwielige Hand und zeigte ihm das Taschenmesser mit dem Horngriff.
»Wie viel gibst du mir dafür?«, fragte er.
»Ich brauch keins«, erwiderte der Tankwart und versuchte zu lächeln. Er war jung, hatte glatt zurückgekämmte schwarze Haare und trug eine Krawatte, die mit einem Haken aus Pappe am Kragen seines weißen Hemds befestigt war.
»Ich will sechs Dollar dafür. Du kannst’s für zehn weiterverkaufen.«
»Nein, Sir, ich brauch wirklich kein Messer.«
»Ich will bloß für fünf Dollar Benzin und eine Tüte mit den Schweineschwarten da. Das is’ doch ’n ehrliches Angebot.«
Der Tankwart warf einen Blick hinaus zu dem menschenleeren Vorbau. Regenschleier fegten vor dem flimmernden Neonlicht über den Zapfsäulen vorbei.
»Sie verlangen da, dass ich den Mann beklau, für den ich arbeite«, sagte er.
»Ich hab kein Hemd am Leib. Ich hab nix zu essen. Ich komm aus dem Sauwetter hier rein und bitte um Hilfe, und du nennst mich einen Dieb. Das lass ich mir nicht bieten.«
»Ich ruf mein Chef an und frach ihn. Sie können ja mit ihm reden.«
Der Tankwart nahm den Hörer des unter dem Ladentisch stehenden Telefons ab. Doch Aaron legte seine mächtige Pranke auf seine Hand und drückte zu, drückte fester, spreizte die Finger, quetschte die Knöchel auf das Plastik, und seine Augen, die nur Zentimeter vom Gesicht des Tankwarts entfernt waren, sprühten vor Kraft und Energie, während er die Hand des Tankwarts schmerzhaft zusammenpresste, bis ein Schrei aus dessen Kehle drang und er mit der freien Hand den Betriebsschalter für eine Zapfsäule mit bleifreiem Benzin umlegte.
Aaron ließ das Taschenmesser auf dem Ladentisch liegen.
»Ich heiße Aaron Crown. Ich hab in Angola zwei Nigger umgebracht, die sich ständich mit mir angelegt ham. Wenn du jemand erzählst, dass ich dich ausgeraubt hab, komm ich wieder«, sagte er.
Doch die Party im Acadiana ging mit vollem Schwung weiter. Allein die Tatsache, dass Aaron Crown bei seinem Versuch, den Personenschutz des künftigen Gouverneurs zu überwinden, so jämmerlich gescheitert war wie ein Insekt, das einen Ausweg aus einer Glasglocke sucht, schien geradezu sinnbildlich zu bestätigen, dass ein neues Zeitalter angebrochen war, eine Ära, in der der charismatische Hoffnungsträger des Neuen Südens und seine bezaubernde Frau wie verliebte Collegestudenten zu den Klängen einer Dixieland-Band tanzten und alle so großmütig teilhaben ließen an ihrem Glanz und Glorienschein, dass selbst der abgebrühteste Bauunternehmer gerührt war und sich durch ihre Anwesenheit geadelt fühlte.
Doch ich war völlig fertig, als ich von der Suche nach Aaron Crown zurückkehrte, und scherte mich nicht mehr um das Schicksal der Familie LaRose, sondern wollte nur noch schlafen gehen. An der Rezeption lag eine Nachricht von Bootsie, als ich meinen Zimmerschlüssel holte:
Der Pick-up ist am Spanish Lake liegen geblieben, und ich musste auf den Abschleppwagen warten. Ich leih mir das Auto meiner Schwester, werde aber erst ziemlich spät eintreffen.
Ich hinterließ eine Nachricht für Bootsie, in der ich ihr die Zimmernummer mitteilte, und wollte zum Fahrstuhl gehen.
»Mister Robicheaux, für Sie liegt eine weitere Nachricht vor«, sagte der Mann an der Rezeption.
Ich nahm das Blatt Papier entgegen und las es.
Streak, ich hab Infos über unsern Mookie. Wir haben es hier mit dem klassischen Ungeheuer zu tun. Ich weih dich später ein. Bereden wir die Sache an der Bar.
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