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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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verstehen. Sie hatte ihren
    Entschluß, mit ihm durchzubrennen, bereits einmal geändert – wie konnte er da, vor allem mit Mervyn an Bord, sicher sein, daß es nicht noch einmal passierte?
    Doch damit nicht genug: Zu allem Überfluß hatte sich das Wetter enorm verschlechtert, und das Flugzeug wurde durchgerüttelt wie ein Auto auf Querfeldeinfahrt. Immer wieder kamen Passagiere, denen sichtlich speiübel war, auf dem Weg zur Toilette durch das Abteil gewankt. Die Wettervorhersage verhieß angeblich noch Schlimmeres, und Diana war heilfroh, daß sie beim Abendessen vor lauter Wut kaum einen Bissen heruntergebracht hatte.
    Allzugern hätte sie gewußt, wo Mervyn saß. Wenn ich weiß, wo er untergebracht ist, werde ich vielleicht dieses dumme Gefühl los, daß er jeden Augenblick vor mir stehen kann, dachte sie und beschloß, zur Toilette zu gehen und unterwegs nach ihm Ausschau zu halten.
    Sie selbst saß in Abteil Nummer vier. Vor ihr, in Flugrichtung, lag Nummer drei – von Mervyn keine Spur. Sie wandte sich um und trat den Rückweg an, wobei sie nach allem griff, woran sie sich festhalten konnte, denn das Flugzeug bockte und schlingerte. Sie durchquerte Nummer fünf und vergewisserte sich, daß Mervyn auch dort nicht saß. Das war das letzte große geräumige Abteil. Nummer sechs bestand auf der Steuerbordseite hauptsächlich aus der Damentoilette und bot backbords nur zwei Leuten Platz; die beiden Sitze wurden von zwei Geschäftsleuten okkupiert. Keine sehr angenehmen Plätze, dachte Diana – da zahlt man eine Unmenge Geld und hockt den ganzen Flug über vor der Damentoilette! Jenseits von Nummer 6 befand sich nur noch die Honeymoon Suite. Mervyn mußte also, falls er sich nicht im Salon aufhielt und Karten spielte, weiter vorn, im ersten oder zweiten Abteil sitzen.
    Sie betrat die Toilette. Vor dem Spiegel standen zwei Hocker. Auf einem saß eine Frau, mit der Diana noch kein Wort gewechselt hatte. Als Diana die Tür hinter sich schloß, sackte das Flugzeug wieder durch, so daß sie um ein Haar das Gleichgewicht verloren hätte. Sie schwankte und ließ sich auf dem freien Hocker nieder.
    »Haben Sie sich weh getan?« wollte die Frau wissen.
    »Nein, danke. Aber diese Luftlöcher mag ich überhaupt nicht.«
    »Ich auch nicht. Irgend jemand hat behauptet, es würde noch schlimmer. Ein schwerer Sturm soll im Anzug sein.«
    Die Turbulenz ging vorüber. Diana öffnete ihre Handtasche und fing an, ihr Haar zu kämmen.
    »Sie sind doch Mrs. Lovesey, nicht wahr?« fragte die Frau.
    »Ja. Aber Sie können mich ruhig Diana nennen.«
    »Nancy Lenehan.« Die Frau zögerte, sah sie ein wenig verlegen an und sagte: »Ich bin in Foynes zugestiegen. Ich bin mit Ihrem … mit Mr. Lovesey aus Liverpool herübergekommen.«
    »Oh!« Diana spürte, daß sie leicht errötete. »Ich wußte gar nicht, daß er in Begleitung war.«
    »Er hat mir aus einer sehr vertrackten Lage herausgeholfen. Ich mußte unbedingt diesen Flug erwischen, saß aber in Liverpool fest und hätte es auf keinen Fall mehr rechtzeitig nach Southampton geschafft. Da bin ich dann aufs Flugfeld hinaus und habe ihn gebeten, mich mitzunehmen.«
    »Das freut mich für Sie«, meinte Diana. »Mir ist die Sache furchtbar peinlich.«
    »Aber warum denn? Es muß doch wunderbar sein, wenn gleich zwei Männer rettungslos in einen verliebt sind. Ich habe nicht einmal einen.«
    Diana betrachtete die Frau im Spiegelbild. Sie war keine Schönheit, aber doch attraktiv, hatte regelmäßige Gesichtszüge und dunkles Haar und trug ein sehr elegantes rotes Kostüm mit grauer Seidenbluse. Sie machte einen zuversichtlichen, energischen Eindruck. Ja, so eine wie dich nimmt Mervyn sicher mit, dachte Diana. Du bist genau sein Typ. »War er höflich zu Ihnen?« fragte sie.
    »Nicht sehr«, erwiderte Nancy kleinlaut und lächelte.
    »Das tut mir leid. Manieren sind nicht gerade seine Stärke.« Diana kramte ihren Lippenstift hervor.
    »Ich war ihm sehr dankbar, weil er mich mitnahm.« Nancy schneuzte sich vorsichtig in ein Papiertaschentuch. Diana fiel auf, daß sie einen Ehering trug. »Ein bißchen schroff ist er ja«, fuhr Nancy fort. »Aber auch nett. Wir haben nämlich zusammen zu Abend gegessen. Er ist amüsant. Außerdem sieht er sehr gut aus.«
    »Ein netter Kerl ist er schon«, hörte Diana sich sagen. »Aber auch arrogant wie ein Adliger, und Geduld hat er auch keine. Mit meiner Unentschlossenheit und Wankelmütigkeit treibe ich ihn schier zum Wahnsinn.«
    Nancy kämmte ihr

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