Nacht über den Wassern
zu und zurrte ihn fest.
Kurz darauf erschien Lulu Bell in einer recht gewagten Kombination aus rosa Chiffon, die ihre Reize nur unvollständig verhüllte. Sie hatte gegenüber Mark und Diana seit Foynes eine steife Höflichkeit hervorgekehrt, doch nun waren ihre Vorbehalte wie weggeblasen. Sie setzte sich neben die beiden auf die Couch und sagte: »Ihr werdet nie erraten, was ich soeben über unsere beiden Reisegefährten erfahren habe!« Mit dem Daumen wies sie auf die verwaisten Plätze Fields und Gordons.
Mark streifte Diana mit einem nervösen Blick: »Was hast du denn gehört, Lulu?«
»Mr. Field ist FBI-Agent!«
Kein Grund zur Aufregung, dachte Diana. Ein FBI-Agent ist nichts weiter als ein Polizist.
Lulu fuhr fort: »Es kommt noch besser: Frank Gordon ist ein Häftling.«
»Von wem hast du denn das gehört?« meinte Mark skeptisch.
»Im Damenwaschraum ist es das Gesprächsthema Nummer eins.«
»Deswegen muß es noch lange nicht stimmen, Lulu.«
»Ich wußte gleich, daß ihr mir nicht glauben würdet!« sagte sie. »Der Junge hat einen Streit zwischen Field und dem Flugkapitän mitbekommen. Der Captain war furchtbar wütend, weil das FBI es nicht für nötig gehalten hat, Pan American über die Anwesenheit eines gefährlichen Strafgefangenen an Bord zu informieren. Es kam zu einem regelrechten Wortgefecht. Zum Schluß nahm die Crew Mr. Field die Pistole ab.«
Diana erinnerte sich, daß ihr Field wie Gordons Betreuer vorgekommen war. »Was soll Frank denn angeblich verbrochen haben?«
»Er ist ein Gangster. Hat einen Mann erschossen, ein Mädchen vergewaltigt und einen Nachtklub in Brand gesteckt.«
Diana konnte es kaum glauben. Schließlich hatte sie mit dem Mann persönlich gesprochen! Einen sehr kultivierten Eindruck machte er nicht, das stimmte schon; aber er sah gut aus, war gut gekleidet und hatte dezent mit ihr geflirtet. Als Schwindler oder Steuerbetrüger konnte sie ihn sich vorstellen; er mochte sogar etwas mit verbotenen Glücksspielen zu tun haben… Aber daß er mit voller Absicht getötet haben sollte, kam ihr unwahrscheinlich vor. Lulu war eine leichtgläubige Person, der man alles erzählen konnte.
Mark sagte: »Das kommt mir spanisch vor.«
»Ich geb‘s auf«, meinte Lulu und winkte müde ab. »Ihr habt eben überhaupt keinen Sinn fürs Abenteuer.« Sie erhob sich. »Ich geh‘ jetzt schlafen. Weckt mich auf, wenn er anfängt, die Leute zu vergewaltigen.« Sie erklomm die kurze Stufenleiter und kroch ins obere Bett. Dort zog sie die Vorhänge vor, streckte aber noch einmal den Kopf heraus und wandte sich an Diana. »Süße, ich versteh‘ ja, warum Sie in Irland so sauer auf mich waren. Ich hab‘ mir Gedanken darüber gemacht und bin inzwischen überzeugt, daß ich es nicht besser verdient habe. Habe Mark geradezu mit Beschlag belegt. Wie dämlich von mir. Wenn Sie das Kriegsbeil auch begraben wollen – für mich ist die Sache jedenfalls erledigt. Gute Nacht.«
Es klang beinahe wie eine Entschuldigung, und Diana brachte es nicht übers Herz, sie zurückzuweisen. »Gute Nacht, Lulu«, sagte sie.
Lulu zog den Vorhang vor.
»Ich bin daran mindestens genauso schuld wie sie. Tut mir leid, mein Liebling«, meinte Mark.
Als Antwort gab Diana ihm einen Kuß. Urplötzlich fühlte sie sich an seiner Seite wieder wohl und behaglich. Ihr Körper entspannte sich. Sie küßte ihn erneut und spürte, wie ihre rechte Brust gegen seinen Oberkörper drückte. Wie schön es war, endlich wieder Körperkontakt zu haben! Er berührte ihre Lippen mit der Zungenspitze und öffnete ein wenig den Mund, um auch sie einzulassen. Sein Atem ging schwerer. Das geht mir ein bißchen zu weit, dachte sie, öffnete die Augen – und erblickte Mervyn. Er durchquerte das Abteil auf dem Weg nach vorne. Wenn er sich nicht umgedreht und über die Schulter zurückgeblickt hätte, wäre sie ihm wahrscheinlich gar nicht aufgefallen. Doch nun verharrte er mitten im Schritt und wurde bleich.
Diana kannte ihn gut genug, um seine Gedanken erraten zu können. Obwohl er wußte, daß sie sich in Mark verliebt hatte, war er einfach zu stur, um sich damit abzufinden. Daß er mit ansehen mußte, wie sie einen anderen küßte, traf ihn wie ein Schlag, dessen war sie sich ganz sicher. Da half der Umstand, daß er vorgewarnt gewesen war, auch nicht viel.
Sein Gesicht verdüsterte sich, und er zog voller Unmut unwillkürlich die schwarzen Brauen zusammen. Einen Sekundenbruchteil befürchtete Diana, er würde auf Mark losgehen.
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