Nacht über den Wassern
aus dem Flugzeug holen.« Die Vorgehensweise des Captains, der sich trotz der Tatsache, daß sein Gegenüber bewaffnet war, das Heft nicht aus der Hand nehmen ließ, imponierte Eddie. Auf der Leinwand war das immer ganz anders – dort hatte der Typ mit der Knarre das Sagen.
Wie sollte Field reagieren? Dem FBI war es bestimmt nicht recht, wenn er seine Waffe abgab. Aber des Flugzeugs verwiesen zu werden war auch nicht besser. Field sagte: »Ich begleite einen gefährlichen Verbrecher – ich brauche meine Waffe.«
Am Rande seines Blickfelds nahm Eddie eine Bewegung wahr. Die
Tür am rückwärtigen Ende des Flugdecks, die zur Beobachtungskanzel und den Frachträumen führte, war angelehnt, und dahinter rührte sich etwas.
Captain Baker sagte: »Nehmen Sie ihm die Waffe ab, Eddie.« Eddie griff in Fields Jackett. Der Mann bewegte sich nicht. Eddie ertastete das Pistolenhalfter, knöpfte die Lasche auf und nahm die Waffe an sich. Field blickte mit unbewegter Miene vor sich hin.
Dann eilte Eddie nach hinten und riß die Tür auf.
Vor ihm stand der junge Percy Oxenford.
Eddie war erleichtert. Er hatte schon fast gefürchtet, daß dort ein paar Kerle aus Gordinos Bande mit Maschinenpistolen lauerten.
Captain Baker starrte Percy an und fragte: »Wo kommst du denn her?«
»Neben der Damentoilette gibt es eine Leiter«, erklärte Percy.
»Sie führt in das Heck des Flugzeugs.« Eddie hatte dort die Kabel der Rudertrimmung überprüft. »Von dort kann man weiterkriechen und kommt dann neben den Frachträumen wieder raus.«
Eddie hielt noch immer Ollis Fields Pistole in der Hand. Er steckte sie in die Schublade, in der die Karten des Navigators aufbewahrt wurden.
Captain Baker sagte zu Percy: »Bitte geh an deinen Platz zurück, mein Junge, und untersteh dich, die Passagierkabine während des Flugs noch einmal zu verlassen.«
Percy drehte sich um und wollte schon den gleichen Weg nehmen, auf dem er gekommen war. »Nicht dort!« rief ihm der Captain mit scharfer Stimme nach. »Die Treppe runter!«
Percy, dem nun doch etwas mulmig geworden war, hastete durch die Kabine und trippelte die Stufen hinunter.
»Wie lange er da wohl schon gesteckt hat, Eddie?« fragte der Captain.
»Keine Ahnung. Ich nehme an, daß er alles mitgehört hat.«
»Damit können wir unsere Hoffnung, die Angelegenheit vor den Passagieren geheimzuhalten, begraben.« Baker wirkte einen Moment lang sehr müde, und Eddie traf die Erkenntnis, welche Verantwortung der Captain trug, wie ein Schlag. Aber Baker hatte sich gleich wieder gefangen. »Sie können jetzt zu Ihrem Sitz zurückkehren, Mr. Field. Vielen Dank für Ihre Kooperation.« Ollis Field machte kehrt und verschwand ohne ein weiteres Wort. »Zurück an die Arbeit, Leute«, sagte der Captain und beendete damit das Intermezzo.
Die Besatzung wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Eddie kontrollierte mechanisch seine Instrumentenanzeigen, obwohl er sich innerlich in Aufruhr befand. Er stellte fest, daß die Treibstoffvorräte in den Flügeln, die die Motoren speisten, langsam zur Neige gingen, und machte sich daran, sie aus den Haupttanks, die sich in den Hydrostabilisatoren oder sogenannten Stummel- oder Seeflügeln befanden, nachzufüllen. Doch seine Gedanken kreisten um Frankie Gordino. Gordino hatte einen Mann erschossen, eine Frau vergewaltigt und einen Nachtklub niedergebrannt. Man hatte ihn ergriffen und wollte ihn für seine schrecklichen Verbrechen bestrafen
doch er, Eddie Deakin, würde ihn retten. Die Frau würde zusehen müssen, wie der Mann, der sie vergewaltigt hatte, unbehelligt davonkam – dank Eddie.
Und schlimmer noch: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit blieb es nicht bei einem Mord. Eines Tages würden die Zeitungen von einem grauenhaften Verbrechen berichten – vielleicht einem Rachemord, bei dem das Opfer gefoltert und verstümmelt wurde, bevor man ihm den Rest gab. Vielleicht berichteten sie auch von einer Brandstiftung, bei der Frauen und Kinder bei lebendigem Leib verbrannten. Oder über eine junge Frau, die festgehalten und nacheinander von drei Männern vergewaltigt wurde. Die Polizei würde diese Verbrechen mit der Bande Ray Patriarcas in Verbindung bringen, und Eddie würde sich fragen: War das etwa Gordino? Ist das meine Schuld? Mußten diese Menschen leiden und sterben, weil ich Gordino zur Flucht verhalf? Wie viele Morde werden einst mein Gewissen belasten, wenn ich so weitermache wie geplant?
Aber ihm blieb keine andere Wahl. Carol-Ann befand
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