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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wie?« sagte sie. »Ich dachte, wir unterhielten uns mehr oder weniger … theoretisch.«
    Margaret verließ der Mut. »Dann geben Sie mir also keinen Job?« fragte sie kummervoll. »Dann war das alles nur Gerede?«
    »Ich würde Sie ja gerne einstellen, aber die Sache hat einen Haken. Kann gut sein, daß ich in einer Woche selbst keinen Job mehr habe.«
    Margaret war den Tränen nahe. »Wie meinen Sie das?«
    »Mein Bruder versucht gerade, mir die Firma wegzunehmen.«
    »Kann er das denn?«
    »Die Lage ist ziemlich verzwickt, und vielleicht fällt er auf die Nase. Ich setze mich jedenfalls zur Wehr, aber wie die Sache ausgehen wird, kann ich noch nicht sagen.«
    Margaret mochte nicht glauben, daß die große Chance, kaum daß sie sich geboten hatte, schon wieder dahin sein sollte. »Sie müssen sich durchsetzen!« sagte sie heftig.
    Ehe Mrs. Lenehan etwas erwidern konnte, erschien Harry auf der Bildfläche. Im roten Schlafanzug und himmelblauen Bademantel sah er aus wie der Sonnenaufgang in Person. Sein Anblick beruhigte Margaret ein wenig. Er nahm Platz, und sie stellte ihn vor. »Mrs. Lenehan wollte eigentlich einen Brandy«, fügte sie noch hinzu, »aber die Stewards haben alle Hände voll zu tun.«
    Harry setzte eine überraschte Miene auf. »Selbst wenn sie viel zu tun haben, können sie immer noch Drinks servieren.« Er erhob sich und steckte den Kopf ins Nebenabteil. »Davy, bringen Sie Mrs. Lenehan bitte umgehend einen Brandy, ja?«
    Margaret hörte, wie der Steward sagte: »Aber sofort, Mr. Vanden- post!« Harry verstand sich darauf, andere nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Er setzte sich wieder. »Mir sind Ihre Ohrringe aufgefallen, Mrs. Lenehan«, sagte er. »Sie sind einfach wunderschön.«
    »Danke«, erwiderte sie lächelnd. Sie schien sich über das Kompliment zu freuen.
    Margaret sah sich die Ohrringe genauer an. Sie bestanden aus jeweils einer schlichten großen Perle, die in ein Geflecht aus Golddraht und Diamantsplittern gefaßt war. Auf einmal wünschte sie, sie trüge selbst ein ausgefallenes Schmuckstück, das Harrys Interesse hätte wecken können.
    »Haben Sie sie in den Staaten erworben?« fragte Harry.
    »Ja, sie sind von Paul Flato.«
    Harry nickte. »Ich glaube eher, das Design stammt von Fulco di Verdura.«
    »Keine Ahnung«, erwiderte Mrs. Lenehan und fügte scharfsinnig hinzu: »Für einen jungen Mann ist Schmuck ja ein ungewöhnliches Hobby.«
    Am liebsten hätte Margaret gesagt: Er interessiert sich vor allem dafür, den Schmuck zu stehlen, Vorsicht also! Tatsächlich war sie jedoch ungemein beeindruckt von seinem Fachwissen. Er hatte einen sicheren Blick für die schönsten Stücke, und meistens wußte er auch, wer sie entworfen hatte. Davy brachte den Brandy für Mrs. Lenehan. Obwohl das Flugzeug arg schwankte, schien ihm das Gehen keine Schwierigkeiten zu bereiten.
    Mrs. Lenehan nahm das Glas und stand auf. »Ich will mal sehen, ob ich etwas Schlaf finde«, sagte sie.
    »Also dann – viel Glück«, sagte Margaret und dachte an die bevorstehende Auseinandersetzung zwischen Nancy und ihrem Bruder. Wenn sie gewinnt, stellt sie mich ein, das hat sie mir versprochen…
    »Danke. Gute Nacht.« Mrs. Lenehan stolperte auf den rückwärtigen Teil des Flugzeugs zu, und Harry erkundigte sich mit einem Unterton von Eifersucht in der Stimme: »Worüber haben Sie sich denn unterhalten?«
    Margaret zögerte, ihm von Nancys Stellenangebot zu berichten. Sie war vor Freude ganz aus dem Häuschen, aber die Sache war ja noch nicht sicher. Es war zu früh, sich gemeinsam darüber zu freuen. Margaret beschloß, die Angelegenheit zunächst einmal für sich zu behalten. »Zuerst haben wir uns über Frankie Gordino unterhalten«, sagte sie. »Nancy meint, daß solche Leute in Ruhe gelassen werden sollten. Sie tun nichts weiter, als Glücksspiele und… Prostitution… zu organisieren, und daran hat außer denen, die sich freiwillig daran beteiligen, noch keiner Schaden genommen.« Sie merkte, daß sie leicht errötet war: Das Wort »Prostitution« hatte sie nie zuvor laut ausgesprochen.
    Harry sah nachdenklich vor sich hin. »Aber nicht alle Freudenmädchen machen das aus freien Stücken«, sagte er nach einer Weile. »Einige werden dazu gezwungen. Kennen Sie den Ausdruck, weiße Sklaverei?«
    »Ach, das ist damit gemeint?« Margaret war der Begriff bei der
    Zeitungslektüre schon mehrmals begegnet, aber sie hatte nichts Rechtes damit anzufangen gewußt. Sie hatte die unbestimmte Vorstellung, Mädchen

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