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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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niedriger Höhe über einen Passagierdampfer flogen, der wie ein Weihnachtsbaum erleuchtet war. »Die haben die Lichter wohl für uns angemacht«, hörte sie jemanden sagen. »Normalerweise fahren sie seit der Kriegserklärung ohne Beleuchtung – aus Angst vor U- Booten.« Margaret spürte Harrys körperliche Nähe, und es war ihr durchaus nicht unangenehm. Die Flugzeugbesatzung hatte sich anscheinend über Funk mit den Kollegen an Bord des Dampfers in Verbindung gesetzt, denn die Passagiere waren allesamt an Deck, schauten zum Clipper hoch und winkten. Sie waren so nahe, daß Margaret sogar ihre Kleidung erkennen konnte. Die Männer trugen weiße Smokings, die Frauen lange Abendkleider. Das Schiff bewegte sich schnell voran, der spitze Bug durchpflügte mühelos die riesigen Wellen, und es dauerte ziemlich lange, bis das Flugzeug den Dampfer überholt hatte. Für Margaret war das ein besonderer Moment. Sie war völlig hingerissen. Lächelnd blickte sie Harry an; er lächelte zurück und teilte den Zauber des Augenblicks mit ihr. Er legte ihr die Hand um die Taille, doch so, daß er die Geste mit seinem Körper verdeckte und niemand sehen konnte, was geschah. Die Berührung war zwar federleicht, aber Margaret empfand sie siedendheiß. Sie geriet leicht ins Schwitzen, war völlig durcheinander, wollte aber keinesfalls, daß er die Hand fortnahm. Nach einer Weile fiel das Schiff zurück, die Lichter erloschen erst teilweise und schließlich ganz. Die Passagiere an Bord des Clippers kehrten zu ihren Sitzen zurück, und Harry zog sich von ihr zurück. Mehr und mehr Leute gingen nun zu Bett, bis schließlich nur noch die Kärtenspieler und Margaret und Harry im Salon saßen. Margaret war gehemmt und wußte nichts Rechtes mit sich anzufangen. Aus reiner Verlegenheit sagte sie: »Es ist schon spät. Wir gehen wohl besser zu Bett.« Wieso habe ich denn das gesagt? dachte sie. Ich will doch gar nicht ins Bett! Harry wirkte enttäuscht. »Ich werde mich wohl auch bald hinlegen.«
    Margaret stand auf. »Und vielen, vielen Dank, daß Sie mir helfen wollen«, sagte sie.
    »Keine Ursache«, gab er zurück.
    Warum sind wir nur so förmlich? ging es Margaret durch den Kopf. So will ich doch gar nicht gute Nacht sagen! »Schlafen Sie gut«, fügte sie noch hinzu.
    »Sie auch.«
    Sie wandte sich ab, drehte sich aber gleich wieder um. »Es ist Ihnen doch ernst damit, daß Sie mir helfen wollen, oder? Sie werden mich nicht im Stich lassen?«
    Seine Züge wurden ganz weich, und sein Blick war beinahe liebevoll. »Ich lasse Sie nicht im Stich, Margaret; das verspreche ich Ihnen.«
    Sie fühlte sich plötzlich unwiderstehlich zu ihm hingezogen und beugte sich impulsiv, und ohne weiter darüber nachzudenken, zu ihm hinunter und gab ihm einen Kuß. Ihre Lippen streiften die seinen nur flüchtig, aber bei der Berührung spürte sie die plötzliche Begierde wie einen elektrischen Schlag. Sie richtete sich rasch wieder auf, völlig verwirrt über ihr Tun und über das, was sie da fühlte. Einen Augenblick lang schauten sie einander tief in die Augen, bevor Margaret schließlich im benachbarten Abteil verschwand.
    Ihr zitterten die Knie. Sie sah sich um und bemerkte, daß Mr. Membury die obere Koje auf Backbord belegt und die untere Harry überlassen hatte. Percy hatte sich ebenfalls auf ein Hochbett zurückgezogen. Sie bezog das Bett unter ihm und befestigte ringsherum die Vorhänge. Ich habe ihn geküßt, dachte sie. Es war schön. Sie kroch unter die Bettdecke und löschte das kleine Lämpchen. Es war beinahe, als schliefe man in einem Zelt. Ganz gemütlich. Sie konnte aus dem Fenster schauen, aber außer Wolken und Regen gab es nichts zu sehen. Aufregend war es trotzdem. Es erinnerte sie an die Zeit, als Elizabeth und sie noch klein waren. An warmen Sommerabenden hatten sie manchmal auf dem Gutsgelände ein Zelt aufgeschlagen und im Freien schlafen dürfen. Damals glaubte sie immer, vor lauter Aufregung nicht einschlafen zu können, doch ehe sie sich versah, klopfte auch schon das Hausmädchen an die Zeltwand und reichte ihnen ein Tablett mit Tee und Toast herein. Wo Elizabeth jetzt wohl war? Im gleichen Augenblick vernahm sie ein leises Kratzen an ihrem Vorhang. Zuerst hielt sie es für Einbildung, weil sie an das Hausmädchen gedacht hatte. Doch dann hörte sie es wieder: Es klang wie ein Fingernagel – ratsch, ratsch, ratsch. Sie zögerte, richtete sich schließlich auf dem Ellenbogen auf und zog die Decke bis zum Hals hoch. Ratsch,

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