Nacht über den Wassern
wiedereinzusetzen.
»Sehr beeindruckend«, meinte Mervyn Lovesey, als er von der Toilette kam. Eddie hatte das Gefühl, daß er dem Braten trotzdem nicht ganz traute. Aber es war kaum damit zu rechnen, daß er etwas unternehmen würde.
Eddie verließ den Waschraum und stieß auf Davy, der in der Kombüse ein Milchgetränk zubereitete. »Das Klofenster ist zerbrochen«, sagte er zu ihm.
»Ich bringe der Prinzessin noch schnell ihren Kakao, dann kümmere ich mich darum.«
»Die Fensterblende habe ich bereits angebracht.«
»Prima. Danke, Eddie.«
»Aber du mußt so schnell wie möglich die Scherben zusammenkehren.«
»Geht in Ordnung.«
Eddie hätte ihm am liebsten angeboten, es selbst zu machen – schließlich war er für den Schlamassel verantwortlich. Aber es bestand die Gefahr, durch zu große Hilfsbereitschaft sein schlechtes Gewissen zu verraten und sich dadurch verdächtig zu machen, und deshalb mußte wohl oder übel Davy ran. Eddie blickte schuldbewußt zu Boden.
Immerhin hatte er etwas erreicht: Er hatte Luther einen riesigen Schreck eingejagt. Wahrscheinlich würde er jetzt klein beigeben und dafür sorgen, daß Carol-Ann mit dem Boot zum vereinbarten Treffpunkt käme. Zumindest bestand jetzt wieder eine gewisse Hoffnung.
Er mußte an sein zweites Problem, die Treibstoffreserven, denken. Obwohl es zum neuerlichen Dienstantritt noch zu früh war, begab er sich aufs Flugdeck, um mit Mickey Finn, dem Zweiten Ingenieur, zu reden.
»Die Kurve ist außer Rand und Band!« rief Mickey beunruhigt, kaum daß Eddie eingetreten war.
Ob der Sprit noch reicht? dachte Eddie, bewahrte jedoch äußerlich die Ruhe und sagte: »Zeigen Sie mal!«
»Hier – während der ersten Stunde meiner Schicht war der Verbrauch unglaublich hoch, in der zweiten Stunde pendelte er sich dann wieder auf das normale Maß ein.«
»Bei mir war es vorhin genauso«, sagte Eddie. Er spielte den nur leicht Besorgten; in Wirklichkeit war ihm angst und bange. »Der Sturm wirft alle Berechnungen über den Haufen«, meinte er und stellte die kritische Frage, die ihn quälte: »Reicht der Sprit denn, um uns nach Hause zu bringen?« Er hielt den Atem an.
»Ja, er reicht noch«, antwortete Mickey.
Eddie ließ die Schultern erleichtert sinken. Gott sei Dank. Wenigstens eine Sorge weniger.
»Aber wir haben keinerlei Reserven«, fügte Mickey hinzu. »Ich bete zu Gott, daß alle Motoren durchhalten.«
Ein hypothetisches Risiko. Eddie war viel zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, als daß er sich darüber den Kopf hätte zerbrechen können. »Was sagt der Wetterbericht? Vielleicht haben wir den Sturm ja bald hinter uns.«
Mickey schüttelte den Kopf. »Nein«, meinte er grimmig. »Es geht erst richtig los.«
Nancy Lenehan hatte sich hingelegt. Sie fand es ziemlich beunruhigend, mit einem wildfremden Menschen das Zimmer teilen zu müssen.
Mervyn Lovesey hatte recht gehabt: In der Honeymoon Suite gab es, der Bezeichnung zum Trotz, Etagenbetten. Es war ihm jedoch wegen des Sturms nicht gelungen, die Tür auf Dauer festzuklemmen.
Sie knallte ständig wieder zu, ganz gleich, was er auch anstellte. Schließlich kamen sie beide zu dem Schluß, daß eine geschlossene Tür weniger peinlich war als die andauernden Bemühungen, sie offenzuhalten.
Nancy war so lange wie möglich aufgeblieben. Die Versuchung war groß, die ganze Nacht über im Salon sitzen zu bleiben, aber dort herrschte mittlerweile eine unangenehm männliche Atmosphäre – angefangen vom dichten Zigarettenrauch und Whiskygeruch bis hin zum unterdrückten Lachen und Fluchen der Kartenspieler. Sie kam sich völlig deplaziert vor. Am Ende blieb ihr nichts anderes übrig, als ins Bett zu gehen.
Sie löschten das Licht und kletterten in ihre Kojen. Nancy legte sich hin und schloß die Augen, aber an Schlaf war nicht zu denken. Der Brandy, den der junge Harry Marks ihr besorgt hatte, half nicht im geringsten; sie war hellwach.
Sie wußte, daß Mervyn ebenfalls wach lag, und nahm jede Bewegung in der Koje über ihr wahr. Die Etagenbetten in der Honeymoon Suite waren im Gegensatz zu den anderen Betten nicht mit einem Vorhang versehen. Nur die Dunkelheit sorgte für eine gewisse Privatsphäre.
Nancy dachte an Margaret Oxenford, die so jung und naiv war, so voller Ungewißheit und Idealismus. Sie vermutete, daß sich hinter Margarets unsicherer Fassade eine große Leidenschaft verbarg, und konnte sich von daher durchaus in sie hineinversetzen. Auch sie hatte Kämpfe mit ihren Eltern,
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