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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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dazu bekennen, daß ich fortgehen werde. Wenn es kein Geheimnis ist, gibt es auch keinen Grund, die Polizei einzuschalten. Ich muß ihm einfach begreiflich machen, daß ich eine Bleibe habe und Freunde, die sich um mich kümmern werden.
    Außerdem ist dieses Flugzeug der ideale Ort für eine so heikle Eröffnung. Elizabeth hat es im Zug versucht und war damit erfolgreich, weil Vater sich dort hat zusammennehmen müssen. Später, im Hotelzimmer, kann er tun und lassen, was er will.
    Wann soll ich es ihm sagen? überlegte sie. Je eher, desto besser: So gut gelaunt, satt und zufrieden wie nach dem reichhaltigen Champagnerfrühstück wird er den ganzen Tag über nicht mehr sein. Ein oder zwei Cocktails oder ein paar Gläser Wein mehr, und er regt sich sofort wieder fürchterlich auf.
    Percy erhob sich und verkündete: »Ich hol‘ mir noch Cornflakes.« »Setz dich«, sagte Vater. »Es gibt noch Eier und Speck. Du hast schon genug von diesem Zeug gegessen.« Aus irgendeinem Grund hatte Vater etwas gegen Cornflakes.
    »Ich hab‘ aber noch Hunger«, sagte Percy und ging zu Margarets Erstaunen hinaus.
    Vater saß da wie vom Donner gerührt. Percy hatte sich ihm noch nie in aller Öffentlichkeit widersetzt. Mutter starrte vor sich hin. Alle warteten auf Percys Rückkehr. Als er kam, trug er eine Schale voll Cornflakes vor sich her. Aller Augen waren auf ihn gerichtet. Er setzte sich hin und begann zu essen.
    Vater sagte: »Ich habe dir doch gesagt, daß du keine Cornflakes mehr essen sollst.«
    »Ist ja nicht dein Magen«, erwiderte Percy und aß weiter. Vater schien aufstehen zu wollen, doch in diesem Augenblick kam Nicky herein und reichte ihm einen Teller mit Würstchen, Speck und pochierten Eiern. Margaret dachte schon, Vater würde Percy den Teller um die Ohren hauen, aber dazu war er zu hungrig. Er griff nach Messer und Gabel und sagte: »Bringen Sie mir englischen Senf.«
    »Es tut mir leid, aber wir haben keinen Senf, Sir.«
    »Keinen Senf?« erwiderte Vater wütend. »Wie soll ich denn die Würstchen ohne Senf essen?«
    Nicky wirkte sehr betroffen. »Es tut mir wirklich leid, Sir, aber danach hat noch nie jemand verlangt. Ich werde dafür Sorge tragen, daß in Zukunft Senf mitgeführt wird.«
    »Das hilft mir jetzt auch nichts, oder?«
    »Wohl nicht. Es tut mir sehr leid.«
    Vater gab einen Grunzlaut von sich und machte sich über das Essen her. Er hatte seine Wut an dem Steward ausgelassen, und Percy war davongekommen. Margaret konnte es kaum fassen: So etwas war noch nie passiert.
    Nicky servierte ihr Rühreier mit Speck, und sie aß mit großem Appetit. War es möglich, daß Vater endlich etwas nachgiebiger wurde? Das Ende seiner politischen Ambitionen, der Kriegsausbruch, das erzwungene Exil und die Rebellion seiner ältesten Tochter zeigten vielleicht Wirkung: Seine Selbstgefälligkeit schien einen Dämpfer bekommen zu haben, sein Wille war offenbar geschwächt.
    Eine günstigere Gelegenheit, es ihm zu sagen, würde es nie mehr geben.
    Margaret beendete ihr Frühstück und wartete auf die anderen. Dann wartete sie darauf, daß der Steward abräumte; dann wartete sie, bis Vater sich noch einmal Kaffee geholt hatte. Schließlich gab es nichts mehr, auf das sie noch hätte warten können.
    Sie rutschte neben Mutter auf den mittleren Sitz und saß Vater nun fast direkt gegenüber. Sie holte tief Luft und begann. »Ich muß dir etwas sagen, Vater, und ich hoffe, daß du mir nicht böse sein wirst.«
    »O nein…«, murmelte Mutter.
    Vater meinte: »Was gibt‘s?«
    »Ich bin neunzehn Jahre alt und habe mein Leben lang noch keinen Handschlag getan. Es ist Zeit, daß ich damit anfange.«
    »Und warum, um Himmels willen?« wollte Mutter wissen.
    »Ich möchte unabhängig sein.«
    »Es gibt Millionen junger Mädchen«, sagte Mutter, »die in Fabriken und Büros arbeiten und alles dafür geben würden, um so leben zu können wie du.«
    »Das weiß ich, Mutter.« Margaret wußte auch, daß Mutter mit ihr stritt, um Vater aus dem Spiel zu lassen. Aber das würde ihr nicht lange glücken.
    Zu Margarets Überraschung gab Mutter schon mit dem nächsten Satz klein bei. »Nun ja, wenn du wirklich so erpicht darauf bist, kann dir dein Großvater vielleicht eine Stelle besorgen. Er kennt ja viele Leute …«
    »Ich habe bereits einen Job.«
    Damit hatte Mutter nicht gerechnet. »In Amerika? Wie das?«
    Margaret beschloß, Nancy Lenehan nicht namentlich zu erwähnen; die Eltern waren imstande, mit ihr zu reden und alles zu

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