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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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vor ihr stehen, zog höflich den Hut und sagte: »Es scheint fast, als hättest du mich besiegt – wieder einmal.«
    Sie musterte ihn einen Augenblick. Er hätte nie eine Firma gründen und aufbauen können wie Pa – dazu fehlte es ihm an Voraussicht und Energie. Aber er verstand sich bestens auf die Organisation eines großen Betriebes, war intelligent, fleißig und zäh. »Falls es dich tröstet, Nat«, sagte sie, »ich weiß, daß ich vor fünf Jahren einen Fehler gemacht habe.«
    »Einen geschäftlichen oder einen persönlichen Fehler?« fragte er, und in seiner Stimme schwang ein Ton mit, der auf heimlichen Groll schließen ließ.
    »Geschäftlich«, sagte sie leichthin. Sein Ausscheiden hatte eine Romanze beendet, die kaum erst begonnen hatte. Sie wollte nicht darüber reden. »Und herzlichen Glückwunsch zu deiner Heirat«, fügte sie hinzu. »Ich habe ein Bild von deiner Frau gesehen – sie ist sehr schön.« Eine glatte Lüge: Die Frau war – allenfalls – attraktiv.
    »Danke«, gab er zurück. »Aber um aufs Geschäftliche zurückzukommen: Es erstaunt mich zutiefst, daß du nicht einmal vor Erpressung zurückschreckst, wenn du deine Ziele erreichen willst.«
    »Hier geht‘s um die Macht, nicht um ein Kaffeekränzchen. Hast du mir das nicht erst gestern selbst erklärt?«
    »Eins zu null für dich.« Er zögerte. »Darf ich mich setzen?«
    Urplötzlich hatte sie sein formelles Gehabe gestrichen satt. »Verdammt noch mal«, sagte sie, »jahrelang haben wir zusammengearbeitet, ein paar Wochen lang sind wir sogar miteinander ausgegangen – da brauchst du mich doch nicht um Erlaubnis zu bitten, wenn du dich setzen willst, Nat.«
    »Danke.« Er lächelte, nahm Mervyns Liegestuhl und schob ihn so zurecht, daß er Nancy im Blickfeld hatte. »Ich habe versucht, Black‘s ohne deine Hilfe zu übernehmen. Das war dumm, und es ist mir nicht gelungen. Ich hätte es mir eigentlich denken können.«
    »Keine Einwände meinerseits.« Das klang sogar in ihren Ohren feindselig, und sie fügte hinzu: »Und nichts für ungut obendrein.«
    »Ich bin froh, daß du das sagst, denn ich will deine Firma immer noch kaufen.«
    Nancy war baff, und ihr dämmerte allmählich, daß sie Gefahr lief, ihn zu unterschätzen. Paß bloß auf! schärfte sie sich ein und fragte: »Was hast du vor?«
    »Ich werde es noch einmal versuchen«, sagte er. »Dann muß ich dir natürlich ein besseres Angebot machen. Aber noch wichtiger ist, daß ich dich auf meiner Seite haben will – vor und nach dem Zusammenschluß. Es ist mir lieber, wenn wir uns einig sind. Ich biete dir einen Direktorposten bei General Textiles mit Fünfjahresvertrag.«
    Das hatte sie nicht erwartet, und sie wußte nicht einmal, was sie von diesem Angebot halten sollte. Um Zeit zu gewinnen, fragte sie: »Einen Vertrag? Worüber?«
    »Über die Leitung der Firma Black‘s Boots als Tochtergesellschaft von General Textiles.«
    »Dann würde ich ja meine Unabhängigkeit verlieren – ich wäre bloß noch Angestellte.«
    »Das kommt ganz drauf an, wie unser Vertrag aussieht. Vielleicht wirst du ja Aktionärin. Und solange du Profit machst, kannst du soviel Unabhängigkeit haben, wie du willst – solange die Firma Gewinn abwirft, mische ich mich nicht ein. Machst du allerdings Verluste, sieht die Sache anders aus – dann ist es um deine Unabhängigkeit geschehen. Versager setze ich vor die Tür.« Er schüttelte den Kopf. »Aber du bist kein Versager.«
    Am liebsten hätte Nancy ihm sofort eine Abfuhr erteilt: Sein Drumherumgerede konnte er sich sparen – er wollte ihr die Firma noch immer wegnehmen. Klar war aber auch, daß spontane Ablehnung genau das war, was ihr Vater sich gewünscht hätte – und hatte sie sich nicht eben erst vorgenommen, ihr Leben nicht mehr von Pa‘s Wünschen bestimmen zu lassen? Trotzdem – sie mußte Nat eine Antwort geben, und so sagte sie vage: »Das klingt nicht uninteressant.«
    »Mehr wollte ich gar nicht wissen«, sagte er und erhob sich. »Denk darüber nach und überleg dir, mit welcher Art Vertrag du leben könntest. Ich biete dir zwar keinen Blankoscheck, aber du sollst wissen, daß ich dir ein großes Stück entgegenkommen werde, um dich zufrieden zu sehen.« Nancy fand seine überzeugende Art irgendwie belustigend. In punkto Verhandlungsgeschick hatte er in den vergangenen Jahren eine Menge dazugelernt. Er sah an ihr vorbei Richtung Küste und sagte: »Ich glaube, dein Bruder will mit dir reden.«
    Sie warf einen Blick über die

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