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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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trotzdem bin ich vollkommen sicher, daß ich diese Bekanntschaft auf den Rest meines Lebens ausdehnen möchte.«
    Wie kannst du dir denn sicher sein, dachte Nancy, das ist doch idiotisch! Dennoch gefielen ihr seine Worte. Sie sagte nichts.
    »Ich habe daran gedacht, dich in New York zu verlassen und nach Manchester zurückzukehren, aber das will ich nicht.«
    Nancy lächelte. Sie hatte sich gewünscht, daß er das sagen würde, und beugte sich nun vor, um seine Hand zu berühren. »Das freut mich«, meinte sie.
    »Wirklich?« Er beugte sich gleichfalls vor. »Das Problem ist nur, daß es bald so gut wie unmöglich sein wird, den Atlantik zu überqueren – es sei denn, man gehört den Streitkräften an.«
    Sie nickte. Auch sie hatte schon daran gedacht, sich jedoch nicht weiter den Kopf darüber zerbrochen: Wo ein Wille war, war auch ein Weg.
    Mervyn fuhr fort: »Wenn wir uns jetzt trennen, könnte es Jahre dauern, bevor wir uns wiedersehen, und diese Aussicht gefällt mir ganz und gar nicht.«
    »Mir auch nicht.«
    »Du kommst also mit mir nach England zurück?« fragte Mervyn.
    Nancy verging das Lächeln. »Wie bitte?«
    »Komm mit mir zurück. Zieh in ein Hotel, wenn du willst, oder kauf ein Haus oder eine Wohnung – irgendwas.«
    Nancy spürte, wie der Zorn in ihr aufstieg. Sie biß die Zähne zusammen, um nicht die Beherrschung zu verlieren. »Du spinnst ja«, sagte sie abweisend und wandte den Blick ab. Sie war bitter enttäuscht.
    Ihre Reaktion verletzte und verwirrte ihn. »Was hast du dagegen?«
    »Ich habe ein Haus, zwei Söhne und eine Firma mit Millionenumsatz«, meinte sie. »Und du willst, daß ich all dem den Rücken kehre und in ein Hotel in Manchester ziehe?«
    »Nicht, wenn du nicht willst!« entgegnete er eingeschnappt. »Zieh zu mir, wenn dir das lieber ist.«
    »Ich bin eine angesehene Witwe mit der entsprechenden gesellschaftlichen Stellung – da werde ich mich doch nicht aushalten lassen wie ein Flittchen!«
    »Hör zu, ich denke eigentlich, daß wir heiraten werden. Ja, davon bin ich sogar überzeugt. Aber andererseits kann ich mir auch nicht vorstellen, daß du dich jetzt schon, nach diesen paar Stunden, festlegen willst, oder?«
    »Darum geht es nicht, Mervyn«, erwiderte sie, obwohl es irgendwie wohl doch darum ging. »Es ist mir egal, was für eine Regelung dir vorschwebt. Ich wehre mich nur gegen die Selbstverständlichkeit, mit der du forderst, ich müsse schlicht alles aufgeben und dir nach England folgen.«
    »Aber wie könnten wir sonst zusammenbleiben?«
    »Warum hast du das nicht gleich gefragt und statt dessen die Antwort vorweggenommen?«
    »Weil es nur eine Antwort darauf gibt.«
    »Es gibt drei Lösungen: Ich kann nach England ziehen, du kannst nach Amerika ziehen, oder wir ziehen beide ganz woanders hin, auf die Bermudas zum Beispiel.«
    Er war sprachlos. »Aber mein Land befindet sich im Krieg, ich kann es nicht im Stich lassen. Für den aktiven Dienst bin ich vielleicht zu alt, aber die Luftwaffe braucht Tausende von Propellern, und mit Propellern kenne ich mich aus, besser als jeder andere im Land. Ich werde in England gebraucht.«
    Jedes seiner Worte schien die Sache nur noch schlimmer zu machen. »Und wieso nimmst du einfach an, mein Land bräuchte mich nicht?« fragte sie. »Ich stelle Stiefel her, und wenn die Staaten sich an diesem Krieg beteiligen, werden noch viel mehr gute Soldatenstiefel gebraucht als bisher.«
    »Aber ich habe ein Geschäft in Manchester.«
    »Und ich habe ein Geschäft in Boston – und zwar ein viel größeres, nebenbei bemerkt.«
    »Aber für eine Frau ist es nicht dasselbe.«
    »Natürlich ist es dasselbe, du Trottel!« schrie sie.
    Das Wort Trottel bereute sie sofort. Mervyn erstarrte, und ihr wurde klar, daß sie ihn tödlich beleidigt hatte. Er erhob sich aus seinem Liegestuhl. Sie hätte gerne etwas gesagt, um zu verhindern, daß er sich wie eine beleidigte Leberwurst zurückzog – aber ihr fiel partout nichts ein, und einen Moment später war er auch schon verschwunden.
    »Verdammt noch mal!« stieß sie erbittert aus. Sie war wütend auf ihn, aber auch fuchsteufelswild auf sich selbst. Sie hatte ihn doch gar nicht vertreiben wollen – sie mochte ihn doch! Hatte sie nicht schon vor Jahren gelernt, daß frontale Konfrontationen im Umgang mit Männern nicht der richtige Weg waren? Waren sie unter sich, akzeptierten sie beinahe jeden Angriff – von einer Frau jedoch niemals. Im Geschäft hatte sie ihre kampflustige Natur stets gezügelt,

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