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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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er Unrecht tat, aber seine Meinung änderte er trotzdem nicht.
    Endlich fand sie die Worte, die dem entsprachen, was sie in ihrem Herzen fühlte.
    »Ihr habt mich zum Tode verurteilt«, sagte sie.
    Mutter fing leise an zu weinen.
    Plötzlich veränderte sich das Geräusch der Motoren. Alle hatten es gehört, und sämtliche Unterhaltungen verstummten. Es gab einen Ruck, und die Maschine begann, an Höhe zu verlieren.
    Im selben Augenblick, da beide Backbordmotoren gleichzeitig ausfielen, war Eddies Schicksal besiegelt.
    Bis dahin hätte er seine Meinung noch ändern können – dann wäre die Maschine weitergeflogen, und kein Mensch hätte jemals von seinen Plänen erfahren. Nun jedoch kam unweigerlich alles heraus, egal was sonst noch passierte. Er würde nie wieder fliegen dürfen, allenfalls als Passagier: Mit seiner Karriere war‘s aus und vorbei. Mühsam schluckte er die Wut, die in ihm aufzusteigen drohte, hinunter. Er brauchte einen klaren Kopf, um diesen Job zu Ende zu führen. Erst danach konnte er sich Gedanken über die Schurken machen, die sein Leben ruiniert hatten.
    Gleich muß die Maschine notwassern, dachte er. Die Geiselnehmer kommen an Bord und schnappen sich Frankie Gordino. Und dann? Alles Weitere steht in den Sternen. Wenn nur Carol-Ann sicher und unbeschadet davonkommt… Und hoffentlich lauert die Marine den Gangstern auf, wenn sie sich in Richtung Küste davonmachen wollen… Ob ich wohl für die Rolle, die ich hier zu spielen habe, ins Gefängnis komme? Ich bin ein Gefangener des Schicksals.
    Es war ihm gleichgültig, alles war ihm gleichgültig – Hauptsache, er konnte Carol-Ann am Ende lebend und gesund in die Arme schließen.
    Kurz nach dem Verstummen der Motoren ertönte Captain Bakers Stimme in seinem Kopfhörer. »Was, zum Teufel, ist da los?«
    Eddies Mund war vor lauter Anspannung so trocken, daß er zweimal schlucken mußte, bevor er auch nur ein Wort herausbrachte. »Ich weiß es noch nicht«, erwiderte er, obwohl er es genau wußte. Die Motoren waren ausgefallen, weil sie keinen Treibstoff mehr bekamen: Er selbst hatte die Zufuhr unterbrochen.
    Der Clipper verfügte über sechs Treibstofftanks. Die Motoren wurden von zwei kleinen Zuleitungstanks versorgt, die in den Flügeln untergebracht waren. Der Großteil des Treibstoffs befand sich in den vier großen Reservetanks in den Hydrostabilisatoren, jenen stummelartigen Seeflügeln, über die die Passagiere das Flugzeug bestiegen und verließen.
    Aus den Reservetanks konnte Treibstoff abgelassen werden, aber die Kontrolle darüber unterlag nicht Eddie, sondern dem Copiloten. Eddie konnte jedoch Treibstoff aus den Reservetanks in die Flügel und wieder zurück pumpen. Solche Vorgänge wurden mittels zweier großer Handräder geschaltet, die sich rechts neben der Instrumenten- anzeige des Ingenieurs befanden. Die Maschine befand sich nun über der Bay of Fundy, ungefähr fünf Meilen vom geplanten Treffpunkt entfernt, und in den vergangenen Minuten hatte er beide Flügeltanks geleert. Der Treibstoff im Steuerbordtank reichte noch für ein paar
    Meilen, der Backbordtank war leer, und die Motoren dort waren folglich außer Betrieb.
    Es wäre natürlich ein leichtes gewesen, mehr Treibstoff aus den Reservetanks hinaufzupumpen. Aber Eddie war, als das Flugzeug in Shediac lag, heimlich an Bord gegangen, hatte sich an den Handrädern zu schaffen gemacht und die Anzeigen so verändert, daß sie auf »Pumpen« abgestellt waren und auf »Aus« pumpten. Die Instrumente zeigten jetzt also an, daß er versuchte, die Flügeltanks zu füllen, während in Wirklichkeit überhaupt nichts geschah.
    Er hatte die Pumpen mit den falschen Anzeigen natürlich schon zu Beginn des Fluges betätigt. Ein anderer Ingenieur hätte es bemerken und sich fragen können, was zum Teufel da vor sich ging. Eddie hatte denn auch unablässig gefürchtet, Mickey Finn, der dienstfreie Zweite Ingenieur, könne nach oben kommen. Doch Mickey setzte, wie nicht anders zu erwarten war, keinen Fuß vor die Tür des Abteils Nummer eins: Auf dieser Etappe des langen Fluges schlief die dienstfreie Besatzung.
    In Shediac hatte es zweimal sehr brenzlig ausgesehen. Zunächst hatte die Polizei verkündet, sie hätte den Namen von Frankie Gordinos Komplizen an Bord der Maschine in Erfahrung gebracht. Eddie – in der Annahme, es handle sich dabei um Luther – hatte eine ganze Weile lang befürchtet, die Sache sei aufgeflogen, und sich den Kopf darüber zerbrochen, wie er Carol-Ann nun

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