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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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würde auseinanderbrechen. Geriet einer der Flügel unter Wasser, so war ihr Ende besiegelt.
    Eine Sekunde verstrich, dann eine zweite. Die Schreie der verängstigten Passagiere unten drangen bis aufs Flugdeck. Die Maschine rappelte sich wieder auf, hob sich ein wenig aus dem Wasser und bewegte sich nun, bedingt durch den Widerstand, langsamer vorwärts; dann sank sie erneut, und Eddie wurde zur Seite geworfen.
    Aber der Captain hielt sein Flugzeug in der Waagrechten, und Eddies Hoffnung, sie könnten es schaffen, wuchs. Durch die nun wieder klaren Fensterscheiben erhaschte er einen Blick auf die See. Noch dröhnten die Motoren – sie waren also nicht unter Wasser gezogen worden.
    Die Maschine wurde noch langsamer, und Eddie fühlte sich von Sekunde zu Sekunde sicherer, bis der Clipper schließlich ruhig auf dem Wasser lag und sich im Einklang mit den Wellen hob und senkte. Über Kopfhörer hörte Eddie den Captain sagen: »Herrgott, das war vielleicht ‚ne harte Nuß!«, und die Besatzung lachte erleichtert auf.
    Eddie erhob sich, spähte durch alle Fenster und hielt nach einem Boot Ausschau. Die Sonne schien, aber es sah nach Regen aus. Die Sicht war ausreichend, dennoch konnte er nirgendwo ein Boot entdecken. Vielleicht näherte es sich dem Clipper von hinten, aus einem Winkel außerhalb seines Blickfelds.
    Er kehrte an seinen Platz zurück und schaltete die Motoren aus. Der Funker sandte einen SOS-Ruf in den Äther, und der Captain meinte: »Ich gehe besser zu den Passagieren und beruhige sie.« Er verschwand die Treppe hinunter. Der Funker empfing eine Antwort, und Eddie konnte nur hoffen, sie käme von den Leuten, die Gordino holen wollten.
    Er konnte es kaum abwarten und ging nach vorne, wo er die Luke im Cockpit öffnete und über die Leiter in den Bug hinabkletterte. Die vordere Luke klappte nach unten auf, so daß eine Plattform entstand, auf die Eddie hinaustrat. Er mußte sich am Türrahmen festhalten, um in der Dünung nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Wellen schlugen über den Seeflügeln zusammen und waren bisweilen so hoch, daß sie seine Füße auf der Plattform umspülten. Die Sonne verschwand immer wieder hinter den Wolken, und es wehte eine steife Brise. Eddie unterzog Rumpf und Flügel einer sorgfältigen Überprüfung, konnte aber keinen Schaden feststellen. Die mächtige Maschine hatte offenbar die rauhe Landung überstanden, ohne Schaden zu nehmen.
    Er warf den Anker aus und hielt angestrengt nach einem Boot Ausschau. Wo blieben Luthers Kumpane? Wenn nun etwas schiefgegangen war und sie gar nicht kämen? Doch dann tauchte endlich ein Motorboot in der Ferne auf, und Eddies Herz schlug höher. War es das richtige? Und war Carol-Ann an Bord? Plötzlich kamen ihm Bedenken: Womöglich war das ein ganz anderes Boot, dessen Besatzung aus blanker Neugier auf den notgelandeten Clipper zusteuerte. Dann gerieten alle Pläne in Gefahr.
    Das Boot ritt auf den Wellen auf und nieder und näherte sich schnell. Eddie hätte eigentlich, nachdem er den Anker geworfen und nach Beschädigungen Ausschau gehalten hatte, sofort an seinen Arbeitsplatz auf dem Flugdeck zurückkehren sollen, doch er blieb wie festgenagelt stehen und starrte wie hypnotisiert auf das näher kommende Gefährt, ein großes Schnellboot mit geschlossenem Steuerhaus. Ihm war klar, daß es mit hoher Geschwindigkeit auf sie zuraste, vielleicht mit fünfundzwanzig bis dreißig Knoten, und trotzdem kam es ihm vor, als kröche es im Schneckentempo heran. An Deck ließ sich eine kleine Gruppe von vier Personen erkennen, von denen eine erheblich kleiner als die anderen war. Es dauerte nicht lange, und er machte drei Männer in dunklen Anzügen und eine Frau im blauen Mantel aus. Carol-Ann besaß einen blauen Mantel.
    War sie es wirklich? Sicher konnte er sich dessen nicht sein. Die Warterei war kaum noch zu ertragen. Die Frau hatte helles Haar und eine zierliche Figur, genau wie Carol-Ann. Sie hielt sich abseits von den anderen, lehnte aber ebenfalls an der Reling und blickte unverwandt auf den Clipper. Plötzlich brach die Sonne aus den Wolken hervor, und die Frau hob schützend die Hand vor die Augen. Irgend etwas an dieser Geste traf Eddie mitten ins Herz. Jetzt wußte er Bescheid: Das war seine Frau.
    »Carol-Ann!« sagte er laut.
    Eine Welle der Erregung packte ihn und ließ ihn einen Augenblick lang vergessen, daß die Gefahr noch längst nicht ausgestanden war. Die Wiedersehensfreude übermannte ihn, er hob die Arme und winkte ihr

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