Nacht über den Wassern
umlegen. »Wissen Sie etwa was, was wir nicht wissen?« fragte Vincini scharf.
Eddie schwieg und suchte verzweifelt nach einer Antwort. In diesem Augenblick kam der Seemann vom Boot der Gangster die Treppe heruntergestürmt und platzte ins Abteil. »He, Vinnie, habe gerade von Willard gehört…«
»Ich hab‘ ihm doch gesagt, daß er das Funkgerät nur im Notfall benutzen soll!«
»Aber dies ist ein Notfall – da ist ein Boot der Marine, das die Küste rauf- und runterfährt, beinahe so, als suchten sie jemanden.« Eddies Herz setzte einen Schlag aus. Daran hatte er nicht
gedacht. Die Bande hatte einen Posten an Land, der über Kurzwelle mit dem Boot Kontakt aufnehmen konnte. Vincini wußte jetzt, daß es eine Falle gab.
Es ist alles vorbei. Ich habe verloren.
»Du hast mich reingelegt«, sagte Vincini, an Eddie gewandt. »Dafür bringe ich dich um, du Schwein.«
Eddies Blick kreuzte sich mit dem des Captains. Verständnis und ein überraschter Respekt lagen in Bakers Miene.
Vincini richtete seine Waffe auf Eddie.
Eddie dachte: Ich habe mein Bestes gegeben, das weiß jeder. Mir ist es egal, wenn ich jetzt sterben muß.
Auf einmal sagte Luther: »Vincini, hören Sie doch! Hören Sie
was?«
Alle verstummten. Eddie vernahm die Fluggeräusche eines anderen Flugzeugs.
Luther blickte aus dem Fenster. »Ein Wasserflugzeug, das ganz in der Nähe landet!«
Vincini senkte die Waffe. Eddies Knie zitterten.
Vincini schaute ebenfalls hinaus, und Eddie folgte seinem Blick. Das war die Grumman Goose, die in Shediac vertäut gewesen war. Sie ging auf der Längsseite eines Wellenkamms zu Wasser und kam zum Stillstand.
Vincini meinte: »Und wenn schon! Wenn sie sich einmischen, bringen wir die Schweine einfach um!«
»Aber kapieren Sie denn nicht?« sagte Luther aufgeregt. »Das ist doch eine Chance für uns! Wir können über die gottverdammte Marine hinwegfliegen und abhauen!«
Vincini nickte bedächtig. »Nicht schlecht. Genau das werden wir tun.«
Eddie begriff, daß sie entkommen würden. Sein Leben war gerettet, aber er hatte dennoch verloren.
Auf dem Flug in der gecharterten Maschine entlang der kanadischen Küste fand Nancy Lenehan den Ausweg aus ihrem Dilemma.
Sie wollte nicht nur ihren Bruder besiegen, sondern sich auch aus den eingefahrenen Gleisen befreien, die ihr Vater für sie vorgesehen hatte. Zwar wollte sie bei Mervyn bleiben, doch fürchtete sie, sie könne, wenn sie Black‘s Boots verließ und nach England übersiedelte, eine unzufriedene Hausfrau werden – wie Diana.
Nat Ridgeway hatte sich bereit erklärt, sein Angebot für die Firma beträchtlich zu erhöhen und Nancy einen Posten bei General Textiles zu geben. Sie hatte darüber nachgedacht, und dabei war ihr eingefallen, daß General Textiles auch mehrere Fabriken in Europa, und zwar vor allem in Großbritannien, besaß und daß Ridgeway diese vor Beendigung des Krieges – der Jahre dauern konnte – nicht mehr würde besuchen können. Sie wollte ihm anbieten, Managerin der europäischen Niederlassungen von General Textiles zu werden. Auf diese Weise konnte sie bei Mervyn bleiben, ohne ihren Beruf als Geschäftsfrau aufgeben zu müssen.
Die Lösung war erstaunlich einfach. Der Haken war nur, daß sich Europa im Krieg befand und daß man im Krieg ums Leben kommen konnte. Sie dachte gerade über die ebenso ferne wie grauenerregende Möglichkeit nach, als Mervyn sich auf dem Copilotensitz umdrehte und nach unten deutete. Nancy sah den Clipper: Er schwamm auf dem Wasser.
Mervyn versuchte, den Clipper über Funk zu erreichen, erhielt aber keine Antwort. Während die Goose das gewasserte Flugzeug umkreiste, vergaß Nancy ihre eigenen Sorgen. Was war passiert? Waren die Menschen verletzt? Die Maschine selbst wirkte unbeschädigt, aber nirgendwo war ein Lebenszeichen zu erkennen.
Mervyn drehte sich zu ihr um und brüllte gegen den Lärm der Motoren an: »Wir müssen runtergehen und nachsehen, ob sie Hilfe brauchen.«
Nancy nickte zustimmend.
»Zieh den Gurt an und halt dich fest. Die Landung kann bei dem hohen Wellengang ziemlich unsanft sein.«
Sie gurtete sich an und sah hinaus. Die See war aufgewühlt, und die Wellen rollten in langen Reihen heran. Ned, der Pilot, landete die Maschine parallel zum Verlauf der Dünung. Der Rumpf berührte das Wasser auf der Rückseite einer Welle, und das Wasserflugzeug ritt auf ihr wie ein Surfer aus Hawaii. Die Landung war weniger schlimm, als Nancy befürchtet hatte.
An der Spitze des Clippers
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