Nacht über den Wassern
frischte sie ihr Make-up auf und stieg dann aus dem Wagen.
Sie ging durchs Hotelfoyer und die Treppe hinauf, ohne am Empfang stehenzubleiben. Sie kannte Marks Zimmernummer. Natürlich war es skandalös, wenn eine Frau sich ohne Begleitung in das Hotelzimmer eines alleinstehenden Mannes begab, aber daran wollte sie jetzt nicht denken. Die Alternative wäre, sich mit Mark in der Lounge oder Bar zu treffen; aber was sie ihm zu sagen hatte, konnte sie ihm unmöglich in aller Öffentlichkeit mitteilen. Sie schaute sich nicht um, deshalb wußte sie nicht, ob sie von irgend jemandem gesehen worden war, der sie kannte.
Sie klopfte an seine Tür. Hoffentlich war er da! Aber wenn er sich entschlossen hatte, noch in ein Restaurant oder ein Filmtheater zu gehen? Die Tür wurde nicht geöffnet. Wieder klopfte sie, fester. Wie konnte er zu einer solchen Zeit ins Kino gehen?
Da hörte sie seine Stimme. »Ja?«
Noch einmal klopfte sie und sagte: »Ich bin es!«
Rasche Schritte näherten sich. Die Tür flog auf, und Mark stand da mit erstaunter Miene. Dann lächelte er glücklich, zog sie ins Zimmer, schloß die Tür und umarmte Diana.
Nun fühlte sie sich ihm gegenüber so treulos wie zuvor Mervyn gegenüber. Sie küßte ihn schuldbewußt, und die vertraute Wärme des Verlangens breitete sich in ihrem Körper aus; aber sie entzog sich ihm und sagte: »Ich kann nicht mit dir kommen.«
Er wurde blaß. »Sag so etwas nicht!«
Sie schaute sich in der Suite um. Er war beim Packen. Kleiderschrank und Schubläden standen offen, seine Koffer lagen auf dem Boden, und wohin sie blickte, sah sie gefaltete Hemden, saubere Stapel Unterwäsche und Schuhe in Beuteln. Er war so ordentlich. »Ich kann nicht mitkommen!« wiederholte sie.
Er faßte sie bei der Hand und zog sie ins Schlafzimmer. Sie setzten sich aufs Bett. Er wirkte verstört. »Das kann doch nicht wahr sein!« flüsterte er.
»Mervyn liebt mich, und wir sind seit fünf Jahren verheiratet. Ich kann ihm das nicht antun.«
»Und was ist mit mir?«
Sie blickte ihn an. Er trug einen Pullover in dunklem Fraise, eine Fliege, eine blaugraue Flanellhose und Korduanschuhe. Er sah zum Anbeißen aus. »Ihr liebt mich beide«, entgegnete sie. »Aber er ist mein Mann.«
»Wir lieben dich beide, doch ich bin auch dein Freund!«
»Und du meinst, er nicht?«
»Ich glaube, daß er dich nicht einmal kennt. Hör zu. Ich bin fünfunddreißig und nicht zum erstenmal verliebt. Ich hatte einmal ein Verhältnis, das sechs Jahre gehalten hat. Verheiratet war ich noch nicht, aber ich habe Erfahrung. Ich weiß, daß unsere Beziehung vollkommen ist. Noch nie hat jemand so gut zu mir gepaßt. Du bist schön, du hast Humor, du bist unkonventionell, du bist gescheit, und die Liebe macht dir Spaß. Ich bin nett, ich bin unkonventionell, ich bin gescheit, und ich möchte dich lieben, jetzt gleich …«
»Nein«, sagte sie, aber es klang nicht überzeugend.
Er zog sie sanft an sich, und sie küßten sich.
»Wir passen so gut zusammen«, murmelte er. »Erinnerst du dich, wie wir uns in der Bibliothek Zettelchen geschrieben haben? Du hast sofort mitgemacht, ohne Erklärung. Andere Frauen halten mich für verrückt, aber du magst mich so.«
Das stimmt, dachte sie. Und wenn sie etwas Unkonventionelles tat, wie Pfeife zu rauchen oder ohne Unterwäsche auszugehen oder eine Versammlung der Faschisten zu besuchen und Feueralarm zu geben, wurde Mervyn böse auf sie, während Mark begeistert lachte.
Er streichelte ihr Haar, dann ihre Wange. Langsam ließ ihre Panik nach, und sie entspannte sich. Sie legte den Kopf an seine Schulter und ließ die Lippen zärtlich über die weiche Haut seines Halses wandern. Sie spürte seine Fingerspitzen auf ihrem Bein unter dem Kleid. Sie streichelten die Innenseite ihrer Schenkel, wo die Strümpfe endeten. Ich hätte das nicht zulassen sollen, dachte sie noch.
Er drückte sie sanft mit dem Rücken aufs Bett, und ihr Hut fiel herunter. »Bitte nicht«, sagte sie schwach. Er küßte ihren Mund, knabberte mit den Lippen weich an den ihren. Sie spürte seine Finger durch die feine Seide ihres Höschens und erschauderte vor Lust. Einen Augenblick später glitt seine Hand hinein.
Er wußte genau, wie sie es mochte.
Eines Tages im Frühsommer, während sie nackt in einem Hotelzimmer lagen und die Brandung der Wellen durchs offene Fenster zu hören war, hatte er gesagt: »Zeig mir, was du tust, wenn du dich berührst.«
Sie war sehr verlegen geworden und hatte getan, als
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